Erstes Vatikanisches Konzil 1869 – 1870. Unfehlbarkeit des Papstes. Grundlagen des Glaubens

Themen: Rationalismus, Fideismus (Glaube), Liberalismus, Materialismus; Inspiration des Geschriebenen, Unfehlbarkeit des Papstes. Vorzeitig abgebrochen wegen des von Frankreich gegen Preußen begonnenen Krieges, worauf das Königreich Italien den vatikanischen Kirchenstaat besetzte. Das Konzil genießt bei den Nachgeborenen, besonders bei den Repräsentanten der liberalen Theologie keinen guten Ruf. Man möchte es am liebsten als nicht existent ansehen. Grund ist nicht nur die mit ihm verbundene Verabschiedung der päpstlichen Unfehlbarkeit, es ist auch und gerade der Papst selbst, der vielen als suspekt gilt, wie übrigens sein Nachnachfolger Papst Pius X. Beide gelten als sehr fromm und glaubensstark.

Im weiteren Verlauf werden folgende von Papst Pius IX. präferierte Themen behandelt: Ex cathedra (Unfehlbarkeit des Papstes); Mariendogma Unbefleckte Empfängnis, Syllabus (Thesen Irrtümer der Welt). Auch nimmt Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., Stellung zum Ersten Vatikanischen Konzil.

Foto. Papst Pius IX., von Adolpho Braun, 1875. commons-wikimedia (11.10.24) gemeinfrei. Geboren als Giovanni Maria Mastai-Ferretti am 13. Mai 1792. Papst vom 16. Juni 1846 bis 7. Februar 1878; damit der am längsten residierende Pontifex maximus. Ein zutiefst frommer Mann. Er stärkte damit die Volksfrömmigkeit und die priesterliche Spiritualität.

Die politischen Verhältnisse machten ihn zum „Gefangenen im Vatikan.“  Den Fachleuten ist er darüberhinaus als Autor der Dogmatischen Konstitution „Pastor aeternus“ / Unfehlbarkeit des Papstes und des Mariendogmas „Der unbefleckten Empfängis Mariens“ in Erinnerung geblieben; unten mehr.

Es war Papst Pius IX., der die Bischöfe der Welt am 29. Juni 1867, dem Festtag Peter und Paul, zum Konzil nach Rom einberufen hat. Aus Anlass des 1800-jährigen Jubiläums des Martyriums der Apostel Petrus und Paulus. Ziele des Konzils: Abwehr „moderner Irrtümer“ – zeitgemäße Anpassung der kirchlichen Gesetzgebung. Teilnehmer: 744 Kleriker. 20.000 Gläubige waren Augenzeugen. Die Bischöfe kamen aus der ganzen katholischen Welt, 200 waren Italiener, 70 Franzosen, 40 Österreicher und Ungarn, 36 Spanier, 19 Iren, 18 Deutsche, 12 Engländer und 19 kamen aus anderen europäischen Ländern. Die orientalischen Riten entsandten 50 Bischöfe; 40 stammten aus den Vereinigten Staaten, 30 aus Lateinamerika, 9 aus Kanada, und 100 kamen aus Missionsgebieten. Das Konzil beriet in 89 Generalkongregationen und vier feierlich öffentlichen Sitzungen. – Quelle u.a.: kathpedia (11.10.24)

FotoQuelle: File:Vatican-assemblee-1870-119120 2.jpg – Wikimedia Commons (11.10.24) Gemeinfrei.

In welchem politischen Kontext fand das Konzil statt? Technischer Fortschritt und Industrialisierung, Sozialismus, Arbeiterbewegung. Große Teile der Bildungsschicht hielten es mit Charles Darwin (Ursprung der Arten) und mit Ludwig Feuerbach (Religion gleich Anthropologie; diesseitige Ethik).

In Italien blühte das Freimaurertum mit anti-katholischer Tendenz. Auch heute spielt in der Kirche das Thema Freimaurertum eine große Rolle. Man spricht davon, dass nicht wenige Kleriker aller höchster Kreise Sympathien hierfür zeigen.

Schwerpunktthema: Grundlagen des Glaubens

Und was macht Papst Pius IX.? Er setzt nicht, wie heute die deutschen Bischöfe, innerkirchliche Machtfragen auf die Agenda, für ihn sind die GRUNDLAGEN DES GLAUBENS wichtiger mit dem Ergebnis der Verabschiedung der Konstitution „Dei Filius“:

  • Die Lehre der Kirche über Gott den Schöpfer,
  • über die göttliche Offenbarung,
  • über das Verhältnis von Vernunft und Glauben

Heute (2015) spricht ein Bischof Bode aus Osnabrück von einer zeitbedingten, der Lebenswirklichkeit angepassten Offenbarung, die Eingang in die Lehre finden müsse.

Foto: The first Vatican Council, St. Peter`s Basilica, 1869 commons.wikipedia (11.10.24). gemeinfrei.

Es gilt als das 20. allgemeine resp. Ökumenische Konzil. Eröffent am Tag der Unbefleckten Empfängnis, dem 8. Dezember 1869. Am 20. Oktober 1870 wurde das Konzil aufgrund der politischen Gegebenheiten auf unbestimmte Zeit vertagt.

Schwerpunktthema Unfehlbarkeit des Papstesex cathedra

Die Konzilskonstitution „Pastor aeternus“ beschreibt die lehramtliche Unfehlbarkeit *). Man sollte eigentlich von der lehramtlichen Irrtumslosigkeit *) sprechen, sagt Prof. Karl Wallner OCist. Im Klartext bedeutet dieser Beschluss:

  • Dass der Papst, wenn er eine für die gesamte Kirche letztverbindliche Entscheidung in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre fällt, er kraft des Beistands des Heiligen Geistes vor Irrtum bewahrt wird.

Nicht mehr und nicht weniger. Offensichtlich haben dies eine Reihe Konzilsgegner und evangelische Theologen nicht verstanden oder woll(t)en es nicht verstehen. Papst Pius XII. hat in 1950 mit dieser seiner päpstlichen Unfehlbarkeit ex cathedra *) die leibliche Aufnahme Mariens in die himmlische Herrlichkeit verkündet. Dazu später an anderer Stelle mehr.

*) zur Begrifflichkeit ex cathedra: „Wenn der Römische Bischof, also der Papst, ‚ex cathedra‘ spricht, das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer kraft seiner höchsten Apostolischen Autorität entscheidet, dass eine Glaubens- und Sittenlehre von der gesamten Kirche festzuhalten ist, dann besitzt er mittels des ihm im seligen Petrus verheißenen göttlichen Beistands jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definition der Glaubens- und Sittenlehre ausgestattet sehen wollte; und daher sind solche Definitionen des Römischen Bischofs aus sich, nicht aber aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich.“ – Quelle: katholisch.de (11.10.24)

Rückgriff Neue Testament

Die eigentliche Aussage von Matthäus 16, 18-19 nach Catholic Daily Reflections, Feast of the Chair of St. Peter, 02-22-22

Jesus stattete bereits Petrus mit der Unfallbarkeit aus

The Giving of the Keys. Schlüsselübergabe Jesu an Petrus. Peter Paul Rubens (1577-1640), 1612. Gemeinfrei. commons-wikimedia (11.10.24)

The Infallible Gift from Jesus – Das unfehlbare Geschenk Jesu

In this passage Jesus lays the foundation of His Church.  He gives to Peter the keys to the Kingdom of Heaven.  And, in so doing, He establishes what has come to be known as the gift of “infallibility.

In dieser Passage legt Jesus das Fundament seiner Kirche. Er gibt Petrus die Schlüssel zum Himmelreich. Und indem er dies tut, etabliert er das, was als die Gabe der „Unfehlbarkeit“ bekannt geworden ist.

What does it mean to be given “the keys to the Kingdom of Heaven?”  This is quite a statement.  But by speaking it clearly and definitively, Jesus entrusted an incredible spiritual power to Peter. 

Was bedeutet es, „die Schlüssel zum Himmelreich“ zu erhalten? Das ist eine starke Aussage. Aber indem Jesus es klar und bestimmt aussprach, vertraute er Petrus eine unglaubliche geistliche Kraft an

By “infallibility” we mean that Peter was guaranteed to teach only that which was true in the areas of faith and morality.  Faith and morality are what live on forever in the Kingdom of Heaven and so it is with authority in these areas that Peter is entrusted.

Mit „Unfehlbarkeit“ meinen wir, dass Petrus garantiert nur das lehrte, was in den Bereichen Glaube und Moral wahr war. Glaube und Moral sind das, was im Himmelreich für immer weiterlebt, und so ist Petrus mit Autorität in diesen Bereichen betraut.

Furthermore, we know that the Apostles had successors.  Peter went to Rome and became the Bishop of Rome.  He was succeeded by Linus, then Cletus, then Clement, and so forth until the Bishop of Rome today.  This is important to note because this spiritual authority that Jesus gave to Peter did not end with his death. Rather, it continued with his successors and will continue on until the end of the world.

Außerdem wissen wir, dass die Apostel Nachfolger hatten. Petrus ging nach Rom und wurde Bischof von Rom. Sein Nachfolger wurde Linus, dann Cletus, dann Clemens und so weiter bis zum Bischof von Rom heute. Dies ist wichtig zu beachten, weil diese geistliche Autorität, die Jesus Petrus gab, nicht mit seinem Tod endete. Vielmehr ging es mit seinen Nachfolgern weiter und wird bis zum Ende der Welt andauern.

FAZIT. Zu Ende gedacht bedeuten vorgenannte Deutungen nichts anderes, als dass es eigentlich keines Unfehlbarkeitsdogmas seitens Papst Pius IX. vom 18. Juli 1870 bedurft hätte. Schon Petrus hatte, ob bewußt oder nicht, selbst erkannt, dass ihm alle Vollmachten übertragen worden sind.

Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben, könne im Glauben nicht irren

Die katholische Kirche bezieht sich unter anderem auf die Bibelstellen 1 Tim 3,15. Paulus bezeichnet darin die Kirche, der Leib Christi, als „die Säule und die Grundfeste der Wahrheit“; auf den 1. Johannesbrief 1 Joh 2,27 und auf das Johannesevangelium Joh 16,13. Man spricht vom Glaubenssinn (sensus fidei): Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (1 Joh 2,20.27), könne im Glauben nicht irren.

Das Zweite Vatikanische Konzil, 11. Oktober 1962 bis 8. Dezember 1965, bestätigte die Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils von 1870, festgehalten im Dokument Lumen Gentium (Nr. 18 und 25 resp. Nr. 12). Der Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) untermauert die Thematik unter Punkt KKK 890.

Begriffsklärung Unfehlbarkeit: Prof. Dr. Karl Wallner OCist

*) Karl Wallner. Mönch und Dogmatikprofessor am Stift Heiligenkreuz, Nationaldirektor Misso Österreich. Für Wallner ist die deutsche Übersetzung des lateinischen Fachbegriffes „Infallibilitas“ (Infallibilität) mit Unfehlbarkeit eine unzureichende. Besser sollte man es mit „Untäuschbarkeit“ übersetzen; in dem Sinne, dass bestimmte Glaubensinhalte schon immer von den Gläubigen geglaubt worden sind.

Begriffsklärung Unfehlbarkeit Martin Mosebach

Martin Mosebach nimmt in seinem Buch Der Ultramontane – Alle Wege führen nach Rom (2012, Sankt Ulrich-Verlag, Augsburg) Stellung: „(…) Unfehlbarkeit in Fragen des Glaubens und der Sitten, nicht etwa zur absolutistischen Ermächtigung des Papstsamtes, sondern zu dessen Konstitution: zur expliziten Unterwerfung des Papstes unter die gesamte Tradition der Kirche. Unfehlbar ist nicht eine Person, sondern das große Corpus der zweitausendjährigen Überlieferung in Schrift, Wort und Gebräuchen, dem der jeweilige Papst nur seinen Mund leiht.“

Martin Mosebach (31. Juli 1951, Katholik). Deutscher Schriftsteller. Anhänger der Missa Tridentina. Büchner-Preisträger 2007. Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung 2013. Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Mai 2015. Augustin-Bea-Preis 2023.

Prof. Joseph Ratzinger über das Konzil

Büste Papst Benedikt XVI. in Traunstein. commons.wikimedia (12.10.24) gemeinfrei.

In seinem Buch „Credo für heute“ geht der vormalige Papst Benedikt XVI., geschrieben 1971 in seiner Eigenschaft als Theologieprofessor, im Rahmen seines Themas „Warum ich noch in der Kirche bin“, auch auf das Erste Vatikanum ein:

  • Heute erscheint alles ins Gegenteil verkehrt: Nicht wunderbare Ausbreitung, sonder kleinkarierter, stagnierender Verein (…)“
  • „Sagen wir es einmal ganz hart: Das erste Vatikanum hatte die Kirche beschrieben als „signum levatum in nationes“, als das große eschatologische Banner, das weithin sichtbar die Menschen ruft und vereint.
  • Sei es (so meinte das Konzil von 1870) jenes von Jesaja (11,12) erhoffte, weithin sichtbare Zeichen, das jeder Mensch erkennen kann und das allen unzweideutig den Weg weist:
  • Mit ihrer wunderbaren Ausbreitung, ihrer hohen Heiligkeit, ihrer Fruchtbarkeit in allem Guten und ihrer unerschütterlichen Stabilität sei sie das eigentliche Wunder des Christentums, seine ständige, alle anderen Zeichen und Wunder ersetzende Beglaubigung vor dem Angesicht der Geschichte.

Papst Pius IX. verkündigt das Dogma Die Unbefleckte Empfängnis Marias, 8. Dezember 1854

Das Dogma wird jährlich am 8. Dezember gefeiert. Lateinische Bezeichnung des Dogmas „Immaculata Conceptio“. Es sagt nichts anderes, als dass Maria zwar wie jeder andere Mensch auch geschlechtlich gezeugt worden ist (ihre Eltern werden mit hll. Anna und Joachim benannt), sie nach katholischer Lehre allerdings von Anfang von der Erbsünde (vgl. unten) ausgenommen, also sündlos ist. Denn als Sündenfreie sollte sie den Erlöser der Welt, Christus Jesus, gebären.

Das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Mariens wurde seit den Anfängen der Kirche stets geglaubt und endlich von Papst Pius IX. am 8. Dezember 1854 mit seinem apostolischen Schreiben Ineffabilis Deus (Der unbegreifliche Gott) wie folgt verkündet:

„Zu Ehren der Heiligen und Ungeteilten Dreifaltigkeit, zu Schmuck und Zierde der jungfräulichen Gottesmutter, zur Erhöhung des katholischen Glaubens und zur Mehrung der christlichen Religion, in der Autorität unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus und der Unseren erklären, verkünden und definieren Wir: Die Lehre, dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadenprivileg des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erretters des Menschengeschlechtes, von jedem Schaden der Erbsünde unversehrt bewahrt wurde, ist von Gott geoffenbart und darum von allen Gläubigen fest und beständig zu glauben.“

Die Ursprünge dieses Festes reichen weit zurück. Der christliche Osten feiert das Fest an manchen Orten schon seit dem ersten Jahrtausend. Erzbischof Anselm von Canterbury führte es um 1100 n. Chr. für seine Diözese in England ein. Der Franziskaner Duns Scotus (1265-1308) gilt als der Urheber der „Immaculata-Lehre“. Im 17. Jahrhundert setzten sich viele Orden, vor allem die Jesuiten, für diese Lehre ein. Von eben jenen Jesuiten motiviert legte Kaiser Ferdinand III. von Österreich im Jahr 1645 sein berühmtes Immaculata-Gelübde ab. 

Syllabus errorum – Zusammenfassung der hauptsächlichen Irrtümer – Papst Pius IX. – als Anhang zu Enzyklika Quanta cura am 8. Dezember 1864

Theologen, namentlich liberaler Couleur, sehen in ihr eine Abkehr von der Welt, die der Kirche nicht gutgetan habe. Warum? Man fürcht(ete) den Zusammenprall mit der „modernen Welt“ – man seiht/sah in ihr ein wichtiges Dokument für die kirchliche Ablehnung der Religionsfreiheit, der Trennung von Kirche und Statt, der Demokratie, der Wissenschaftsfreiheit und anderer als Folgen der Aufklärung gesehener Ideen (Wikipedia, 12.10.24).

Papst Pius IX. wie sein Nachnachfolger Pius X. hingegen sahen sich aufgefordert, die Kirche von den unguten Erscheinungen der profanen Welt abzugrenzen, Kleriker und Gläubige zu ermutigen, an das genuin Katholische zu glauben, an Jesus Christus zu glauben, dementsprechend zu leben. – Nachstehend einige Überschriften zu den 80 Thesen, die der Papst als falsch verurteilt, im Laufe seines Pontifikats zusammengetragen hat:

  • § I. Pantheismus, Naturalismus und totaler Rationalismus: Sieben Untertitel.
  • § III. Indifferentismus, Latitudinarismus. Untertitel 15 bis 18 (Protestantismus).
  • § V. Irrtümer über die Kirche und ihre Rechte. Untertitel 19 bis 38
  • § VI. Irrtümer über die weltliche Gesellschaft sowohl in sich als in ihren Beziehungen zur Kirche. Untertitel 39 bis 55
  • § VII. Irrtümer über die natürliche und christliche Sittenlehre. Untertitel 56 bis 64
  • § VIII. Irrtümer über die christliche Ehe. Untertitel 65 bis 74
  • § IX. Irrtümer über die weltliche Herrschaft des Römischen Papstes. Untertitel 75 – 76
  • § X. Irrtümer, die den heutigen Liberalismus betreffen. Untertitel 77 bis 80.