Re-Conquista. Mauren. Die Berber überrennen Hispania 711 n. Chr. – Versklavte Christen

Historiker bleiben Zeitgenossen. Die Protagonisten jeder Generation

versuchen, ihre eigene Vergangenheit neu zu konstruieren. Auch und gerade die gegenwärtige historische Forschung folgt zeitgebundenen Leitbildern. Die Auflösung derart festgeschriebener Deutungsmuster ist nur über einen längeren Zeitraum möglich, Behutsamkeit ist gefragt, kollektiver Widerspruch umso mehr. Fotoausschnitt: Die Kapitulation Granadas. FotoQuelle: s.u.

Die Sichtung angehäufter Generationendeutung sollte an sich Gegenstand historischen Forschens sein und nicht – frei nach dem Standardsatz „Wir wissen heute“ – den geneigten Lesern die eigene Wahrheit als die allgemeinverbindliche aufzudrücken. Ich bin kein gelernter Historiker, kein Forscher, wohl aber einer, der sich vieles über die vielen Jahre hinweg angelesen hat. Selbstverständlich bin auch ich jemand, der seine – nomen est omen – eigene Brille nicht vollends absetzen kann. Mir geht es letztlich darum, ein wenig mehr die katholische Sicht ins Spiel zubringen, häufig genug ist sie unter den Tisch gefallen, bei den Klerikern bis in die allerhöchsten Ränge inklusive.

Prof. Luise Schorn-Schütte unterstützt in etwa diesen Gedankengang in ihrem Büchlein Karl V. – Kaiser zwischen Mittelalter und Neuzeit. (C.H. Beck, 2000; 3. aktualisierte Auflage 2006), wenn sie auf Seite 48 deklamiert, dass bisherige große Biographien die tiefe Frömmigkeit von Kaiser Karl V. (König von Spanien) ausblendeten, weil sie, so die Historikern, konfessionell befangen waren; ich hingegen füge hinzu, weil sie mit seiner Frömmigkeit, frommen Menschen schlechthin, die an den dreifaltigen Gott glauben, offensichtlich nichts anzufangen wußten/wissen, weil selber unkonfessionell und/oder agnostisch. Gut zu beobachten bei denjenigen Autoren, die sich mit der Re-Conquista Spaniens auseinandersetz(t)en, dabei zwangsläufig auf diverse katholisch geprägte und aus christlichem Verständnis heraus agierende spanische Könige stießen / stoßen.

Einführung

Im Nachfolgenden will ich mich dem Hauptthema der Re-Conquista Spaniens langsam aber sicher annähern. Jede Geschichte hat eine Vorgeschichte. Der Islam überrennt ab 638 n. Chr. große Teile der christianisierten Gebiete Palästinas inkl. Jerusalems, Nord-Afrikas + Ägyptens, Spaniens, Siziliens (812-1061), später den Balkan, Konstantinopel (1453 durch Sultan Mehmed II. ), et ecetera. Der Versuch der türkisch-moslemischen Osmanen, Wien trotz erheblicher Übermacht zu erobern, scheitert 3 x: 1529, 1683 und 1716. – Eine ähnliche Bedeutung, Zentral-Europa für das Christentum gerettet zu haben, kommt Karl Martell 732 n. Chr. zu dank seiner genialen Kampftechnik, die den Sarazenen in dieser Form nicht geläufig war; später dazu mehr.

Völlig unerwartet – für die moslemischen Soldaten an sich undenkbar – werden sie von den Christen 1565 (Malteser-Ritter) und 1571 trotz gewaltiger Übermacht in der Schlacht von Lepanto besiegt; an anderer Stelle mehr.

The Spread of Islam. Die Ausdehnung des Islam. Museum in Katar, Vereinigte Arabische Emirate, 2009. Eigenes Foto.

Erläuterungen (dunkelgrün bis hellgrün): Time of the Prophet: 622 – 632 nach Christus + Rashidi Caliphate: 632 – 660

Umayed Caliphate: 660 – 749 + Abbaside Caliphate: 749 – 1258.

Important Battles: darunter im heutigen Frankreich (weißes Gebiet) schwach erkennbar die von den Moslems in 732 verlorene Schlacht von Poitiers / Tours.

Anno Domini 711 dringen ungefähr 7.000 bis 10.000 Berber / Moslems in das heutige Spanien ein, dem damaligen Westgotenreich. Sie nutzen dafür die Meerenge von Gibraltar. Innerhalb von sieben/acht Jahren unterwerfen sie unter ihrem Führer Tariq Ibn Ziyad, genannt Jab al Tariq (Felsen des Tariq = Gibraltar), den größten Teil der iberischen Halbinsel.

Karte Hispanias um 1000 nach Christus.

FotoQuelle: commons.wikimedia (29.04.25), gemeinfrei

Die Berber folgen damit Mohammeds Anweisung, der in seiner Abschiedsbotschaft an seine Getreuen gesagt haben soll: „Mir wurde aufgetragen, alle Männer so lange zu bekämpfen, bis sie sagen: Es gibt keinen Gott außer Allah.“

Die Mauren haben mit wenig Gegenwehr zu rechnen. Sie stoßen auf Einheimische, die sich von den sie beherrschenden Westgoten befreien möchten. Die hispanische Bevölkerung nennt die Moslems Mauren. Von Mauros = dunkelhäutige Leute aus Mauretanien. Cordoba, ab 756 nach Christus ein selbständiges Emirat, wird Hauptstadt des neues Reiches. Auf dem Platz der bisherigen Kathedrale errichten sie eine große Moschee.

716 n. Chr. marschieren die Moslems westwärts

bis nach Galicien, herrschen bis 740, ziehen sich zurück, bis sie dann Anno Domini 997 das heutige Santiago de Compostela völlig platt machen; vgl. dazu später mehr.

In der Zeit ihrer Unterwerfung Hispanias versklaven die Moslems 150.000 Einwohner. Gleiches geschah mehr oder weniger parallel auf byzantinischem Gebiet, in Afrika, in Indien, etc.; die Mittelmeerinseln wurden entvölkert.

al-Andalus um 732 nach Christus. Nur ein schmaler Streifen zum Atlantik wie zu den Pyrenäen ist noch nicht erobert.

Im nördlichen Asturien wird Fürst Pelayo im 8. Jahrhundert zum Gegenangriff blasen, die erste Phase der Re-Conquista einleiten.

FotoQuelle: commons-wikimedia (30.04.25), gemeinfrei

Die moslemischen Herrscher führen während des Mittelalters periodische Kriege und sicheren sich so quasi einen ununterbrochenen Zustrom von Sklaven. Sobald sie auf starken Widerstand stoßen, hinterlassen sie verwüstete und menschenleere Areale, die sie dann neu besiedeln. – Später sollten wir noch einen Blick werfen auf die mit Moslems geschlossenen Verträge, auf die Scharia, auf den Gürtel Zunnar, den alle Nicht-Moslems, also Juden und Christen zwecks Unterscheidung zu tragen hatten, et ecetera.

Freikauf christlicher Sklaven

Das Schott-Meßbuch der katholischen Kirche führt unter dem 7. Januar (eines jeden Jahres) den Gedenktag eines Heiligen namens Raimund von Penyafort. Er, 1175 bei Barcelona geboren, gründete im Jahre 1222 zusammen mit Petrus Nolaskus eigens den Merzedarierorden, um christliche Sklaven aus moslemischer Gefangenschaft zu befreien. Raimund selbst war später der dritte General des berühmten Predigerordens der Dominikaner (1214 gegründet vom heiligen Dominikus und bereits zwei Jahre später von Papst Honorius III.  bestätigt). In echter Sorge um den Dialog mit dem Islam ermunterte er die Missionare, die arabische Sprache zu lernen und den Koran zu studieren.

Der spätere Heilige Antonius von Padua (1195-1231, ursprgl. Portugiese) will sich von den Gräueltaten der Moslems nicht abhalten lassen und in Marokko missionieren. Er hatte in der Stadt Coimbra die vielen Leichen von den in Marokko gemarterten Franziskanermönche gesehen, die dorthin überführt worden waren. Auch eine Teresa von Avila (16. J.) wollte gar als Kind in moslemisch besetzte Gebiete Spaniens ziehen, um die Besatzer zum Christentum zu bekehren. Ihr Ausflug wurde rechtzeitig entdeckt.

Wer mehr über die Sklaverei lesen will, der schlage bitte in Egon Flaigs Buch „Weltgeschichte der Sklaverei“ aus 2009 (Verlag Beck) nach. Flaig ist Lehrstuhlinhaber für Alte Geschichte an der Universität Rostock.

Vormarsch bis nach Toulouse

Die Pyrenäen erweisen sich, wie so oft in der Geschichte, einem Bollwerk. Der Vormarsch der Mauren / Sarazenen wird – zunächst – auf natürliche Weise gestoppt. Erst 721 n. Chr. zieht der Statthalter von Spanien, as-Samh ibn Malik al Chawlani, bis weit in das heutige französische Gebiet nach Toulouse vor. Durch den Überraschungsangriff von Eudo von Aquitaniens fränkischer Armee, die Moslems hatten keine Wachposten aufgestellt, keine Kundschafter ausgeschickt, wurden die Araber vernichtend geschlagen, sie fliehen in Panik, der Heerführer wird getötet.

Das hinderte die Sarazenen nicht, immer wieder bis 725 n. Chr. Raubzüge bis nach Burgund zu starten. 732 n. Chr. sollte dann endlich der entscheidende Schlag gegen die Christenheit erfolgen: mit ihrer Invasion bis an den Rhein, bis an das Meer. Spätere Gedichte beschreiben die Situation in etwa wie folgt: Die Mauren überrennen alles, es bleibt nichts verschont, San Gines wird eingenommen, ebenso el Pinatar. Die Eile treibt sie nach Vera. Auf dem Bergrücken halten sie Rat, ob Lorca (in Navarra) das nächste Ziel sein soll oder gleich das Meer.  

Dennoch hält sich der Mythos von den toleranten Mauren

Tradiert, immer wie neu aufgelegt. Wie ist das zu erklären? Mark R. Cohen, Professor für Nahost-Studien und jüdische Geschichte an der Princeton University (USA), Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin 2002-2003, gibt seine Antwort. Der Titel seines Aufsatzes, Erstveröffentlichtung in der FAZ am 25. Oktober 2003, verrät die Richtung: Juden und Muslime: Der Mythos einer interreligiösen Utopie. 

siehe Foto unten. Das gefällt den heutigen Mainstreamautoren nach wie vor nicht. Auch darüber werde ich noch berichten.

Die Kapitulation Granadas 1492: Der letzte König von Granada, Abu Abdullah Muhammad XII, übergibt Granada, die letzte muslimische Festung in Andalusien, an die katholischen Könige Ferdinand II. von Aragon und Isabella I. von Kastilien. – Francisco Pradilla und Ortiz (1848–1921).

FotoQuelle: commons.wikimedia (29.04.25) gemeinfei

Demnächst mehr über:

Karl Martell rettet das Abendland + Die drei Phasen der Re-Conquista + Asturien. Das Lichtkreuz des Pelayo + Karl der Große greift ein + 10./11. Jahrhundert. Al-Mansur verwüstet und versklavt Hispania + Al-Mansur zerstört Kathedrale des hl. Jakobus + EL CID. Der Campeador. + Schlacht Las Navas de Tolosa – 16. Juli 1212 + Mythos tolerante Mauren in al-Andalus + Jakobus als Matamoros / Maurentöter + Jakobus als Miles Christi + Schlacht von Clavijo – 834 n. Chr. +