„Eine kleine Plauderei“ über das Zweite Vatikanische Konzil. Papst Benedikt XVI. am 14. Februar 2013.

Anstatt einer großen Abschiedsansprache referierte der zurückgetretene Papst – gegenüber dem römischen Klerus – aus dem Stegreif heraus über das 2. Vatikanische Konzil; begann mit einer Anekdote aus 1959 als neuer Professor der dortigen Universität. Zitat: So kam ich in Kontakt mit dem Kardinal von Köln, Kardinal Frings. Kardinal Siri von Genua hatte – 1961 scheint mir – eine Vortragsreihe verschiedener europäischer Kardinäle über das Konzil organisiert und auch den Erzbischof von Köln eingeladen, einen der Vorträge zu halten, mit dem Titel: Das Konzil und die Welt des modernen Denkens.“

Zum Schluss seine berühmten Worte:

Petrus in St. Peter, Vatikan. 2015. Alle Nachfolger beziehen sich auf den Apostel.

Im nachfolgenden zitiere ich lediglich seinen dritten Punkt: Konzil der Väter – Konzil der Medien. Bitte zumindest diesen Abschnitt unbedingt lesen. Ich kann mir gut vorstellen, dass gerade diese seine Konklusion dem deutschen Klerus (Kardinäle, (Erz-)Bischöfe, vielen sog. liberalen Priestern und Ordensleuten), wie letztlich auch den liberalen katholischen Verbandsfunktionären überhaupt nicht gefallen hat, ihm geradezu feindlich gesinnt waren.

Der noch amtierende Papst beginnt den letzten Absatz seiner Stegreifrede mit den Worten: Ich möchte jetzt noch einen dritten Punkt hinzufügen:

  • Es gab das Konzil der Väter – das wahre Konzil –,
  • aber es gab auch das Konzil der Medien. Es war fast ein Konzil für sich, und die Welt hat das Konzil durch diese, durch die Medien wahrgenommen.
  • Das Konzil, das mit unmittelbarer Wirkung beim Volk angekommen ist, war also das der Medien, nicht das der Väter. Und während das Konzil der Väter sich innerhalb des Glaubens vollzog, ein Konzil des Glaubens war, der den »intellectus« sucht, der versucht, einander zu verstehen und die Zeichen Gottes in jenem Augenblick zu verstehen, der versucht, auf die Herausforderung Gottes in jenem Augenblick zu antworten und im Wort Gottes das Wort für heute und morgen zu finden, während das ganze Konzil sich also, wie gesagt, innerhalb des Glaubens bewegte, als »fides quaerens intellectum«, entfaltete sich das Konzil der Journalisten natürlich nicht im Glauben, sondern in den Kategorien der heutigen Medien, also außerhalb des Glaubens, mit einer anderen Hermeneutik.
  • Es war eine politische Hermeneutik: Für die Medien war das Konzil ein politischer Kampf, ein Machtkampf zwischen verschiedenen Strömungen in der Kirche. Selbstverständlich haben die Medien für jene Seite Partei ergriffen, die ihnen zu ihrer Welt am besten zu passen schien. Es gab jene, die die Dezentralisation der Kirche suchten, die Macht für die Bischöfe und dann – durch das Wort »Volk Gottes« – die Macht des Volkes, der Laien. Es gab diese dreifache Frage: die Macht des Papstes, dann übertragen auf die Macht der Bischöfe und die Macht aller, die Volkssouveränität.

Natürlich war das für sie die Seite, die es gutzuheißen, zu befürworten, zu fördern galt. Und so war es auch für die Liturgie:

  • Man war nicht interessiert an der Liturgie als Glaubensakt, sondern als etwas, wo verständliche Dinge getan werden, ein Handeln der Gemeinschaft, etwas Profanes. Und bekanntlich gab es eine auch geschichtlich begründete Tendenz, zu sagen: Sakralität ist etwas Heidnisches oder gegebenenfalls etwas Alttestamentarisches.
  • Für das Neue gilt nur, daß Christus »außerhalb« gestorben ist: also vor den Toren, in der profanen Welt. Mit der Sakralität muß also Schluß sein, auch der Kult muß profan werden: Der Kult ist kein Kult, sondern ein gemeinschaftlicher Akt, an dem alle zusammen teilnehmen, und so auch Teilnahme als aktives Handeln.
  • Diese Übertragungen, Banalisierungen der Idee des Konzils schlugen sich in der praktischen Anwendung der Liturgiereform heftig nieder; sie waren aus einer Sichtweise des Konzils hervorgegangen, die außerhalb seines Interpretationsschlüssels, des Glaubens, lag. Und so auch in der Frage der Schrift: Die Schrift ist ein historisches Buch, das historisch behandelt werden muß, und nichts anderes, und so weiter.
  • Wir wissen, daß dieses Konzil der Medien allen zugänglich war. Es war also das vorherrschende, das sich stärker ausgewirkt und viel Unheil, viele Probleme, wirklich viel Elend herbeigeführt hat: geschlossene Seminare, geschlossene Klöster, banalisierte Liturgie… und das wahre Konzil hatte Schwierigkeiten, umgesetzt, verwirklicht zu werden; das virtuelle Konzil war stärker als das wirkliche Konzil.
  • Aber die wirkliche Kraft des Konzils war gegenwärtig und setzt sich allmählich immer mehr durch und wird zur wahren Kraft, die dann auch wahre Reform, wahre Erneuerung der Kirche ist. Mir scheint, daß wir 50 Jahre nach dem Konzil sehen, wie das virtuelle Konzil zerbricht, sich verliert und das wahre Konzil mit all seiner geistlichen Kraft zum Vorschein kommt.
  • Und unsere Aufgabe ist es, gerade jetzt im Jahr des Glaubens, vom Jahr des Glaubens ausgehend daran zu arbeiten, daß sich das wahre Konzil mit seiner Kraft des Heiligen Geistes verwirklicht und die Kirche wirklich erneuert wird. Wir hoffen, daß der Herr uns helfen möge. Ich werde in der Zurückgezogenheit mit meinem Gebet stets bei euch sein, und gemeinsam gehen wir voran mit dem Herrn, in der Gewißheit: Der Herr siegt! Danke!