Ehemaliger CSU-Chef über das „Christliche“ in der Union

Horst Seehofer *) im Interview mit Siegmund Gottlieb (ehemaliger Chefredakteur des Bayrischen Fernsehens) von der Tagespost, veröffentlicht am 9. Oktober 2025, S. 17 Kultur. Foto: Kapelle am Jakobsweg

Frage S. Gottlieb: Sie sind ein sozialer Christenmensch.

Wie sehr beunruhigt Sie die nachlassende Bindungskraft der Kirchen?

Horst Seehofer, 2019; gemeinfrei (12-10-25)

Fortsetzung. Antwort H. Seehofer: Wir dürfen uns doch gar nicht wundern: In der Union spielt die christliche Soziallehre doch keine Rolle mehr.

  • Junge Abgeordnete schauen mich an und fragen:
  • Was ist das – christliche Soziallehre?
  • Wenn aber die christlichen Parteien keinen Platz mehr für das Thema haben,
  • muss uns das alarmieren.

Leider hat der Interviewer keine Nachfrage gestellt. Zum Beispiel: Warum diese Entwicklung nicht rechtzeitig erkannt wurde? Nur eine Frage der Laisierung? Welche Gegen-Maßnahmen zu ergreifen wären? – auch gegen den veröffentlichten Mainstream? Für F.J. Strauß und Edmund Stoiber wohl kaum ein Hindernis.

*) Horst Seehofer war von 2008 bis 2018 bayerischer Ministerpräsident und Parteivorsitzender der CSU + von 2018 bis 2021 Bundesinnenminister unter Kanzlerin Angela Merkel + Von 1980 bis 2008 Bundestagsabgeordneter der CSU.

ist die Union, sind CDU / CSU überhaupt noch christlich grundierte Parteien? + Fördern die C-Parteien noch christliche Werte? + Orientieren sie sich wirklich am christlichen Menschenbild? Am soziale Handeln? + Spielen biblische Wertvorstellungen und Normen, neben den 10 Geboten des Alten Testaments und den „Highlights“ des Neuen Testaments noch eine Rolle?: Die Nächstenliebe (auch gegenüber dem Feind), wie Jesu Bergpredigt: Selig, die Frieden stiften; denn sie werden …. + Selig, die Barmherzigen (gegenüber Gegnern, Volk, Partei, Feinden), denn sie werden Erbarmen finden. +

Mir ist schon klar, dass eine Partei keine reine christliche Politik betreiben kann. Zu sehr spielen in der Politik die Interessen eines Landes eine Rolle. Auch weiß ich, dass Jesu-Gebot, dem Anderen die Wange hinzuhalten, in der praktischen Welt-Politik in dieser Form nicht umsetzbar ist. Wohl aber weiß ich, dass C-Politiker ihren an sich christlichen Background nicht verlassen, sich nicht um jeden Preis dem veröffentlichten Mainstream anschließen sollten, wenn christliche Positionen, einstmals bildend für das Abendland, auf dem Spiel stehen.

Mose mit den Zehn Geboten, Rembrandt, 1659

FotoQuelle: commons.wikimedia (12-10-25), gemeinfrei

1.Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. 2. Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren. 3. Du sollst den Tag des Herrn heiligen.

4. Du sollst Vater und Mutter ehren. 5. Du sollst nicht töten. 6. Du sollst nicht ehebrechen. 7. Du sollst nicht stehlen. 8. Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen. 9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau. 10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut.

Quelle: katholisch.de (12-10-25)

Ruckeln sie nicht am Fortbestehen der Familie bestehend aus Vater, Mutter, Kinder? + Schon der Kölner Kardinal Joachim Meisner (verstorben 2017) hatte weiland deklamiert, die C-Parteien sollten ihr „C“ streichen. Reaktion: Aufschrei. + Heute in 2025 fabuliert der aktuelle Bundeskanzler Friedrich Merz (Katholik) darüber, ob es nicht opportun sei, den Pfingstmontag zu opfern, um die Wirtschaft damit anzukurbeln!

Beispielhaft das Verhalten des ehemaligen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt

Prof. Werner Münch. Er war 37 Jahre lang Mitglied der CDU (Mitglied im Präsidium und Bundesvorstand), bis er seine Partei nicht mehr erkannte und 2009 austrat. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte Angela Merkels Papstschelte. „Benedikt XVI. zu unterstellen, er habe keine Sensibilität gegenüber dem Holocaust, ist ein Unding“, so Münch in einem Cicero-Interview. Darin der Professor, Politikwissenschaftler und tief-gläubiger Katholik über den Werteverfall der CDU.

Zitat im Cicero: Auf mehreren Seiten Papier hat er in enger Handschrift die Sündenfälle der Christdemokraten festgehalten – sie reichen von der Billigung der Homo-Ehe über das Tolerieren von Abtreibung und Präimplantationsdiagnostik bis hin zur Anbiederung an die Grünen. „Da ist jegliches Gespür für Werte, für Moral, für Ethik abhan­dengekommen“, sagt Münch, während er im Sessel neben der hölzernen Marienfigur seine Notizen betrachtet. Und weiter: „Eine Veränderung der CDU von innen heraus halte ich für unrealistisch, weil sie von oben nicht gewollt ist. Und die Parteifunktionäre halten still, weil sie nur an ihre eigene Karriere denken.“

Eine von Münch erzählte Anekdote in Bezug zu Angela Merkel und Konrad Adenauer macht deutlich, wie das Christliche in der CDU dramatisch an Bedeutung verloren hat. Zitat im Cicero: „Konrad Adenauer zog sonntags seinen besten Anzug an und ging in die Kirche! Bei Angela Merkel heißt es, so ihre Antwort einem Journalisten gegenüber, was ihr die Sonntage bedeuteten: nur noch ausschlafen und nachdenken!“ 

Quelle: Cicero (Aufruf 14-10-25)

Christliche Soziallehre

Wikipedia (12.10.25) gibt den ersten Überblick: a) Katholische Soziallehre: Ausgangspunkt Enzyklika Rerum Novarum von Papst Leo XIII. aus 1891 (regierte auf die industrielle Revolution) und b) die Evangelische Sozialethik.

Christliche Soziallehre bpd.de (12-10-25): Sammelbezeichnung für die Bemühungen der katholischen Soziallehre und der protestantischen Sozialethik, christliche Grundsätze für politisch verantwortliches Denken und Handeln nutzbar zu machen. Die grundlegenden Prinzipien Solidarität, Gemeinwohl, Subsidiarität, haben v. a. für die praktische Ausgestaltung des Sozialstaates große Bedeutung.