Frühmittelalterliche Theologie. Spanische Synoden (Konzilien)

Hispanias Bischöfe der ersten Jahrhunderte nahmen starken Einfluss auf die katholische Dogmatik von heute. Zölibat der Priester; Heiligste Dreifaltigkeit / Trinität. Mozarabischer Meßritus. Breviarium Gothicum. Konzilien. Synoden. Athanasianisches Glaubensbekenntnis.

Einstimmung

Wer den Jakobsweg nicht nur auf den Camino Frances reduziert, sich wie wir für mittelalterliche Geschichte und Religion interessiert, also auch für den (iberischen) Katholizismus, der stößt unweigerlich bei seinen Recherchen auf Leon, Salamanca, Oviedo, Sevilla, Granada und Toledo. Alle Städte liegen mehr oder weniger unmittelbar am Jakobusweg. Im Mittelalter charakterisierte man sie wie folgt:

  • heiliges Oviedo
  • reiches Toledo
  • starkes Salamanca
  • schönes Leon.

Oviedo liegt in der Nähe des Camino del Norte. In Granada startet der Camino Mozarabe, in Merida mündet er in die Via de la Plata. Sevilla und Salamanca befinden sich gleichermaßen an der Via de la Plata, die von Cadiz im äußersten Südwesten Spaniens via Zamora nach Santiago führt. Leon ist einer der Hauptorte am Camino Frances, desgleichen Toledo am Camino de Levante, der an der Ostküste in Alicante am Mittelmeer seinen Anfang nimmt, über Avila schlussendlich in Zamora in die Via de la Plata mündet.

Während die Christianisierung Germaniens noch lange nicht abgeschlossen war, in den Kinderschuhen steckte, das Grab des Apostels Jakobus in Compostela noch nicht (wieder-) entdeckt war, tagten in Toledo mehrere Bischofssynoden, von denen die Ergebnisse der 11. Synode Anno Domini 675 noch heute Einfluss auf die katholische Dogmatik resp. auf den Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) haben: Zum schwierigsten Dogma überhaupt – der Heiligsten Dreifaltigkeit, der Trinität.

Interessanter die Synode von Elvira, 3./4. Jh. 

(lat. Concilium Eliberritanum) zu sein. Sie fand Jahrhunderte zuvor statt, wahrscheinlich zwischen 295 und 314 nach Christus in der Nähe Granadas. Spätere, bekanntere Synoden / Konzilien wie die von Arles (314), Nicäa (325) und Sercia (342) nahmen Bezug auf Elvira. Sie war also für die nachfolgenden Generationen, was die meisten wohl nicht wissen, und damit impliziere ich nicht nur die Laien, von eminenter Bedeutung.

Knapp 20 Bischöfe und 24 Presbyter (Kirchenälteste) aus 37 Gemeinden der fünf iberischen Provinzen waren dem Ruf gefolgt. Sie überliefern die ältesten schriftlichen Synodalzeugnisse der Kirchengeschichte, zusammengestellt in 81 Kanones (kirchenrechtliche Artikel). Sie vermitteln der Nachwelt einen hervorragenden Einblick in die Situation des spanischen Christentums des 3. und 4. Jahrhunderts. Wie oben angeführt, übten sie maßgeblichen Einfluss auf mehrere Synoden / Konzilen aus.

Zölibat

Elvira hat eine Besonderheit aufzuweisen. Die anwesenden Bischöfe beschlossen prinzipiell das zölibatäre Leben der Kleriker, also das der Bischöfe, Priester und Diakone. Heute das Thema schlechthin. Es muss ja einen Grund gegeben haben, dass die Synodalen schon Ende des 3. Jahrhunderts von den Gepflogenheiten der Apostel und ihrer direkten Nachfolger abwichen, von denen, wie allgemein bekannt, zumindest einige verheiratet waren. Jahrhunderte später verlangten übrigens die Gläubigen in Zentraleuropa das Gleiche. Sie hatten es satt, dass die Geistlichen sich nicht voll und ganz ihrer Berufung widmeten.

Die Synodalen befassten sich in ihren 81 Kanones mit dem sittlichen Wandel der geweihten Jungfrauen (die aufgrund einer besonderen Berufung Christi die Lebensform der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen (Mt 19,11) übernahmen), der Heirat von Christen mit Heiden, mit der geistlichen Ordnung und Haushaltsführung der Laien.

Es herrschten damals für unser ‚modernes‘ Empfinden rauhe Sitten: Gläubige, die dreimal nicht die sonntäglichen Gottesdienste besuchten, wurden für kurze Zeit aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Für jeden Samstag wurde strenges Fasten vorgeschrieben, mit Ausnahmen für die körperlichen Schwachen in den Monaten Juli und August. Mein Diktum: Man muss das alles aus der damaligen Zeit betrachten. Schon zur Zeit der Apostel gab es äußerst strenge Richtlinien zur Lebensführung, die man heute mit einer Art Edel-Kommunismus gleichsetzen könnte. Jeder verzichtete zu Gunsten der Allgemeinheit auf sein Eigentum. Nur so konnte sich letztlich das Christentum behaupten und weiter entwickeln.

Nicht zuletzt beschnitten sich die anwesenden Bischöfe und Presbyter selbst. Nicht nur dass sie in die normale Lebensführung der Geistlichen eingriffen, sie schrieben auch fest, dass Bischöfe, Priester und Diakone keinen ehelichen Verkehr mehr haben und keine Kinder mehr zeugen durften – Stichwort Zölibat. Nur leibliche Schwestern, Töchter oder geweihte Jungfrauen durften mit den Klerikern im Haushalt leben.

Auch hinsichtlich des Zusammenlebens mit der jüdischen Bevölkerung und den Sklaven wurden Verhaltensregeln aufgestellt. Das strikte Zinsverbot zählte ebenso dazu wie das Verbot der Bilderverehrung, das wiederum später seitens der römischen Kirche keine Zustimmung mehr erfuhr.

Interessant auch die Festlegung des Pfingstfestes, das nicht mehr nach vierzig (40) sondern nach fünfzig (50) Tagen zu feiern sei. Und last but not least erließ die Synode eine strenge Bußordnung.

Die Bischöfe sahen die zunehmende Tendenz eines lauen Christentums, vor allem in Anbetracht der heidnischen Mitbewohner. Der wollte man vorbeugen und die Glaubensstärke der Christen befördern. Wegen des umstrittenen Bilderverbots gab es im 16. Jahrhundert Bestrebungen, die Synode als häretisch abzuqualifizieren, was sich letztlich nicht durchsetzte. Die Ostkirche erkannte die Beschlüsse nicht an, obschon sie, wie oben angedeutet, Einfluss auf das Erste Ökumenische Konzil von Nicäa im Jahre 325 hatten.

Einschub Synode von Arles, Gallien, 314 n. Chr.

Von Kaiser Konstantin I. zum 1. August 314 einberufen: Klärung disziplinärer Fragen + Festlegung des Osterfest-Termins + und vor allem  Verurteilung des Donatismus, der eine Wiedereingliederung vormals abgefallener Christen in Frage stellte.

Die römische Kirche betrachtete jedoch jede von einem Geistlichen gespendete Taufe weiterhin als rechtswirksam. Papst Silvester hatte Vertreter entsandt.

11. Synode von Toledo zur Trinität, 675 n. Chr.

Die heilige Dreifaltigkeit in einer Engelsgloriole über einer Landschaft. Lucas Cranach d.Ä., 1472 Kronach/Coburg – Weimar 1553. Kunsthalle Bremen. (Foto folgt)

Der Katholische Katechismus zitiert auf Seite 98, Taschenbuchausgabe von 1993, folgende markante Sätze, die nach wie vor von der römisch-katholischen Kirche als wahre Glaubenssätze betrachtet werden, besprochen und festgelegt in Toledo im Jahre 675 nach Christus. Ein Glaubensschatz.

  • „Der Vater ist dasselbe wie der Sohn, der Sohn dasselbe wie der Vater, der Vater und der Sohn dasselbe wie der Heilige Geist, nämlich von Natur ein Gott.“ (11. Syn. v. Toledo 675: DS 530).
  • ,,Der Vater ist nicht derselbe wie der Sohn, noch ist der Sohn derselbe wie der Vater, noch ist der Heilige Geist derselbe wie der Vater oder der Sohn“ (11. Syn. v. Toledo 675: DS 530).

Diese beiden Sätze wurden im 4. Laterankonzil Anno Domini 1215 bestätigt und folgender erklärender Satz hinzugefügt:

  • „Sie sind voneinander verschieden durch ihre Ursprungsbeziehungen:
  • Es ist ,,der Vater, der zeugt,
  • und der Sohn, der gezeugt wird,
  • und der Heilige Geist, der hervorgeht.“
  • (4. K. im Lateran 1215: DS 804). Die göttliche Einheit ist dreieinig.

Zugegeben, das ist nicht leichte Kost. Wer mehr verstehen will, dem rate ich, den Katechismus zu lesen oder eines der vielen Bücher vom größten derzeit lebenden katholischen Theologen, nämlich Papst em. Benedikt XVI.

Die 11. Synode baute auf die Ergebnisse, Beschlüsse und Ausformulierungen des III. Konzils von Toledo in 589 resp. des VIII. Toledanum von 653 auf, wonach der Heilige Geist hervorgeht aus dem Vater und dem Sohn. Die Beschlüsse der spanischen Teil-Kirche wurden später von der Römischen Kirche übernommen.

Gothicum. Missale Toledo. Mozarabischer Meßritus. Mozarabisches Breviarium Gothicum. Stundenbuch.

Beispielhaft das Brevier (Stundenbuch) der Königin Maria Stuart (1542-1587) von Schottland, das sie bei ihrer Hinrichtung bei sich trug. Gemeinfreies Foto.

FotoQuelle: commons.wikimedia (06.04.25) gemeinfrei

Die englische Königin Elisabeth selbst hatte die Hinrichtungsurkunde unterzeichnet. Maria Stuart war des Hochverrats beschuldigt worden. Später wurde sie dann von ihrem Sohn König Jakob I., der in Personalunion auch über England herrschte, quasi rehabilitiert, indem er die Beisetzung ihrer in 1612 exhumierten Leiche in der Westminster Abbey anordnete.

Gothicum

Gallikanische Liturgie, 4.-8. Jahrhundert,  vorkarolingische Kirchengebiete heutiges Frankreich, Spanien und Mailand:

  • „Nahe gekommen ist unsere Erlösung, das, was die Völker seit alters erwartet haben, ist gekommen; die verheißende Auferstehung der Toten ist nahe; was die Seligen erwartet haben, zeigt sich als Wetterleuchten.“

Aus dem Missale von Toledo

  • „Gewinnt Kraft, ihr ermüdeten Hände, stärkt euch, ihr Verzagten, seid fröhlich und habt keine Angst, erhebt eure Hände zu Gott und lasst eure Herzen aufwachen; denn seht, unsere Erlösung ist nah.“  

Beide Gebete entnommen dem Kommentar zum Neuen Testament von Klaus Berger, 2. Auflage, 2012; passend zu Lukas 21,28: „Wenn dies alles beginnt, dann richtet euch auf und erhebt euer Haupt. Denn eure Erlösung ist ganz nahe.“

Re-Produktion des extrem seltenen Mozarabischen Breviers in der Druckausgabe von 1775 – zurückgehend auf den im 5. Jahrhundert gebeteten Ritus, der heute noch in der Kathedrale von Toledo (Camino de Levante), bei den Mönchen auf dem Montserrat (Camino Ignaciano) und in der Abtei von Santo Domingo de Silos (nahe dem Camino Frances) gepflegt wird; sowie von Priestern mit Spezialerlaubnis zum Beispiel im Bistum von Oviedo.

Das Brevier von 1775 unterscheidet sich stark vom römischen Brevier. Er kennt z.B. für die Ferialtage eine zusätzliche Hore Aurora, die vor der Prim gebetet wurde, auch die Struktur der einzelnen Tageszeiten weicht stark von den römischen Vorbildern ab. In Bezug zu den Psalmengebeten weist das Breviarium eine Sonderstellung auf.

Das Brevier, heute Stundenbuch, enthält Gebete zu den einzelnen Horen über den Tag wie über die Nacht verteilt: Laudes (morgens), Terz, Sext und Non (tagsüber), wie Vesper (nachmittags) und Komplet (abends). Das Brevier wurde und wird nach wie vor auch von Laien, also nicht nur von Ordensleuten, gebetet.

Mehr hierüber via summorum-pontificum.de + Webseite New Liturgical Movement. vgl. auch UNA VOCE, 4. Quartal 2019, S. 589, Dr. Michael Charlier.

Warum mozarabisch? Bedeutung: unter den Arabern lebend. Christen hatten sich aus wohlüberlegter Absicht in ihrer äußeren Form den neuen arabischen Herren angepaßt.

Der Ritus entstammt ursprünglich dem arianischen Christentum (Lehre des Arius, 260 bis 327 n. Chr., bestreitet die Wesensgleichheit der göttlichen  Dreifaltigkeit), weshalb er immer wieder unter Häresieverdacht stand, politischer wie kirchenpolitischer Gründe wegen. Auf einer von italienischen und spanischen Bischöfen gemeinsam einberufenen Synode von Mantua im Jahr 1067 wurden die von den Spaniern mitgebrachten liturgischen Bücher als häresiefrei und sogar als lobenswert befunden.

In Spanien ging der Streit gleichwohl weiter, der letztlich von den Repräsentanten des mozarabischen Ritus`gewonnen wurde. Im Zuge der Reconquista wurde er zunächst aus den maurischen Gebieten allmählich verdrängt, bis er dann, bis auf wenige Gebiete, wie oben erwähnt, seine Bedeutung verlor. Der römische Ritus hatte sich durchgesetzt.

Besonderheiten

Nach den Recherchen von Prof. Klaus Herbers unterscheidet sich der Ritus in zeremoniellen Formen und der Abfolge der liturgischen Handlungen:

  • Eine größere Anzahl von Lesungen aus dem Alten Testament;
  • eine andere Anordnung einzelner Teile der Messe;
  • eine eigenständige und von der benediktischen stark abweichende Mönchsliturgie (Stundengebet);
  • einen differenzierteren Festkalender mit anderen Heiligenfesten.
  • Die Kommunion wurde unter beiderlei Gestalten gereicht;
  • das Vaterunser vor der Wandlung gesprochen, und
  • das Credo (Glaubensbekenntnis) in das Hochgebet / Meßkanon integriert.

Der mozarabischer Meßritus altkirchlicher Tradition besticht durch zwei klar voneinander getrennten Abschnitten:

  • Erster Teil: Die Katechumenenmesse, d.h. die Verkündigung an die Gemeinde inklusive der erwachsenen Taufschüler.
  • Zu Beginn des zweiten Teils, der Eucharistiefeier, mußten die Katechumenen (Taufschüler) den Gottesdienstraum verlassen.
  • Nur die bereits getauften Gläubigen durften weiterhin an der Eucharistiefeier teilnehmen.

Die Katechumenen warteten derweil bis zum Ende der Feier im Vorraum der Kirche. In vielen älteren, gut erhaltenen romanischen Kirchen ist dieser Vorraum gut sichtbar platziert. Auf die Schnelle fällt mir die Kirche von Maria Laach ein, auch am Jakobsweg gelegen.

Mehr hierüber via summorum-pontificum.de + Webseite New Liturgical Movement.

vgl. auch UNA VOCE, 4. Quartal 2019, S. 589, Dr. Michael Charlier.

Aufwertung nach dem Konzil 1962.65

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die mozarabische Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1962-65 eine Aufwertung*) insoweit erfahren hat, als dass durch die Herausgabe des „Missale Hispano-Mozarabicum“ in 1991 durch die Spanische Bischofskonferenz und dem Erzbischof von Toledo sie als eine der römischen Liturgie (Novus Ordo **) grundsätzlich gleichwertige und ebenbürtige bestätigt wurde.

*) Die Frage, die sich gegenwärtig stellt, vgl. Papst Franziskus` Motu proprio Traditionis custodes (Wächter der Tradition) vom Juli 2021, ist doch: Will der Papst auch diesen Ritus mit aller Gewalt von der Bildfläche verschwinden lassen, ihn als obsolet, ihn als störend für die Einheit der Weltkirche betrachten?

**) Novus Ordo: Üblicher Meßritus nach der Liturgiereform in Folge des Konzils. Davon unbenommen der außerordentliche römische Meßritus (Alte Mess), vgl. dazu das Motu proprio Summorum pontificum von Papst Benedikt XVI. aus 2007, wonach die Alte Messe niemals verboten war und auch nicht verboten werden könne. Der jetzige Papst sieht das anders. Wer will ihn bremsen?

Mozarabischer Ritus

am 13. Oktober 2021 in Oviedo am Camino Primitivo

Liturgischer Höhepunkt anläßlich der 1200-Jahrfeier der Kathedrale von Oviedo am 13. Oktober 2021 war die Feier der Heiligen Messe nach dem mozarabischen Ritus, dem damals gültigen Ritus von Oviedo. Gut, dass dieser Ritus nicht in Vergessenheit gerät und nach wie vor in einigen Kirchen des Bistums gefeiert werden darf, den Anordnungen von Papst Franziskus, vgl. dazu sein Motu Proprio Traditionis custodes (Wächter der Tradition) vom 16. Juli  2021 zuwider.

Ohne die Tradition geht`s halt nicht, das weiß auch Bischof Jesus Sanz Montes von Oviedo:

  • „Der mozarabische Ritus ist eine Erinnerung an unsere christlichen Brüder und Schwestern, die den ersten Stein der Kathedrale gelegt haben.
  •  Für mich ist es sehr bewegend, uns mit allen den Brüdern und Schwestern zu vereinen, die später kamen, mit der ganzen Geschichte.“

Quelle: Jose Garcia. Die Schätze von San Salvador. Die Tagespost vom 21. Oktober 2021. Der Autor beruft sich Miguel Calleja, Geschichtsprofessor an der Universität Oviedo.