Vaticanum II. Was sagte Bundeskanzler Konrad Adenauer?

„Macht, was ihr wollt, ich bleibe katholisch“. Letztlich eine passgenaue Umschreibung des „alten Herrn“ und gläubigen Katholiken des 2. Vatikanischen Konzils 1962/65. – Im Folgenden gehe ich ein auf sein Verhältnis zu den Päpsten Pius XII. und Johannes XXIII., über die von ihm beschriebene Erosion des katholischen Milieus nach dem Konzil und last but not least über die „Neue Messe“, der er Würdelosigkeit bescheinigte, et ecetera.

Konrad Adenauer. Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Porträt vom 23. Juni 1952. Foto: Katherine Young, New York.

Geboren am 5. Januar 1876, gestorben am 19. April 1967. Die Begräbnisfeierlichkeiten hatten ein bis dahin nicht gekanntes Medien-Ausmass angenommen. – Oberbürgermeister Kölns im Kaiserreich, wie in der Weimarer Republik. Verfolgt und eingesperrt von den Nazis. Einer der Begründer der CDU. Erster Bundeskanzler von 1949 bis 1963, zuvor wenige Monate in 1945 Oberbürgermeister von Köln gewesen: eingesetzt von den Amerikanern, abgesetzt von den Briten.

Foto: commons-wikimedia (Bundesarchiv), gemeinfrei, 04.01.25

Interessant was Konrad Adenauer, erster Nachkriegskanzler der Bundesrepublik, als unmittelbarer Zeitgenosse und Kenner über Papst Johannes XXIII. (1881-1963) und das Konzil (1962-1965) selbst sagte.

Der Bundeskanzler schätzte in besonderer Weise Papst Pius XII. Umso überraschender seine negative Einschätzung des Konzilspapstes Johannes XXIII.

Es mag wohl auch der Audienz vom 22. Januar 1960 geschuldet gewesen sein und der Tatsache, dass der vormalige Kardinal Angelo Giuseppe Roncalli, damals Apostolischer Legat in der Türkei und in Griechenland, enge Beziehungen zu Franz von Papen gepflegt haben soll, ein Gegner Adenauers in dessen Zeit als Kölner Oberbürgermeister und Wegbereiter Hitlers und bis August 1934 dessen Vizekanzler. Adenauer hatte nicht von ungefähr deshalb seinen Botschafter dem Heiligen Stuhl sein Befremden aussprechen lassen, dass Franz von Papen noch einmal der päpstliche Ehrentitel eines “Geheimkämmerers mit Degen und Mantel“ verliehen wurde; das erste Mal übrigens von Papst Pius XI. Unter Pius XII. wurde von Papen nicht mehr als Kammerherr aufgeführt.

Papstaudienz am 22. Januar 1960

Papst Johannes XXIII.  saß – im Gegensatz zu seinem Vorgänger – auf einem Prunksessel in einem vergrößerten Arbeitszimmer, viel prunkvoller als zuvor bei Pius XII. Johannes XXIII. zeigte offensichtlich kein Interesse an der deutschen Teilung, so Adenauers Äußerungen einige Tage später seiner Sekretärin Anneliese Poppinga gegenüber.

Im Folgenden zitiere ich wortwörtlich aus Dorothea und Wolfgang Kochs Buch „Konrad Adenauer – Der Katholik und sein Europa“ – Seite 202. Der Kanzler deklamierte unter anderem, den „Papst ein wenig seines Glanzes (zu) entkleiden“  (…), ich bin voller Sorge!“ Und weiter: „Adenauer fand den Papst von geringer politischer Klugheit.“

Als Begründung für sein Urteil führte er die Bemerkungen des Papstes an, die er über das Zustandekommen des Zweiten Vatikanischen Konzils fallen ließ. Er, der Papst, habe vorher keineswegs grundsätzliche Überlegungen über mögliche Folgen des Konzils angestellt. Es sei eine Art Inspiration gewesen, die ihn geleitet habe. Das zeige doch in evidenter Weise, dass der Papst überhaupt nicht politisch denke, erläuterte Konrad Adenauer. Er schien hierüber entsetzt gewesen zu sein. Eine derartige Denk- und Handlungsweise war ihm, dem nüchtern kalkulierenden Politiker fremd, und er lehnte sie ab.“  

„Macht, was ihr wollt, ich bleibe katholisch“

– diesen Ausspruch eines westfälischen Bauern, der von Theologie nichts verstanden, aber doch alles Wesentliche gewusst haben könnte, zitierte der deutsche Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer. Er hatte dem einfachen Landmann skizziert, dass mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch ein liturgischer Experimentalismus Einzug halten würde. Der Bauer konnte das nicht verstehen, der Kanzler auch nicht. Quelle: The Catwalk

Adenauers katholischer Glaube

wird gut sichtbar, wenn man sich einmal seine Weihnachtsansprache des Jahres 1951 *) vor Augen führt, gerichtet an die Bürger der Bundesrepublik Deutschland, eingedenk des Wisses darum, dass auch die Menschen der damaligen Sowjetzone, spätere DDR, aufmerksam zu hörten. Adenauer verhehlt sein Katholischsein nicht, spricht vom Heiland, dem Erlöser (Christus) und Sohn Gottes, spricht von seinen weihnachtlichen Kindheitserlebnissen, spricht die Brüder und Schwestern im Osten an, thematisiert, ja auch damals schon, den Triebsand des modernen Lebens – Hast und Hetze, Äußerlichkeiten und Genußsucht:

  • „Ich fürchte, es wird keinen Frieden, keine Ruhe, keine Freude für die Menschheit geben, wenn wir nicht zurückfinden zu den ewigen, unvergänglichen Gütern, auf denen allein das Glück der Menschen aufgerichtet werden kann.
  • Schrankenlose, hemmungslose Ichsucht, Sucht nach Betrieb und Genuss bringen kein Glück.
  • Verinnerlichung, Besinnung auf sich selbst, Arbeit und Sorge für andere und für das Gemeinsame, das ist, was uns Not tut und was uns glücklich macht.
  • Der Krieg zerstörte alle menschlichen Werte, nur der Friede entwickelte sie.“

Bundeskanzler Konrad Adenauer und Präsident Charles de Gaulle, September 1958 in Bonn. Zwei Politiker, die sich verstanden, trotz ihres Altersunterschiedes, trotz oder gerade wegen der bis dahin unheilvollen deutsch-französischen Geschichte.

Mehr zu lesen über diesen einmaligen Politiker via

Meine Empfehlung: Besuch seines Hauses in Rhöndorf; heute ein Museum.

Foto: commons.wikimedia (Bundesarchiv, B 145 Bild-F015892-0010 / Ludwig Wegmann / CC-BY-SA 3.0, ), gemeinfrei, 04.01.25.

Anmerkungen: Was gäbe ich dafür, würden sich nur einige wenige unserer sich christlich nennenden Politiker explizit nach außen sichtbar nur zu einem Bruchteil dessen zu ihrem christ-katholischen Glauben bekennen, wie es eben ein Konrad Adenauer tat, wie ein Alcide De Gasperi (1881 – 1954), von 1945 – 1953 italienischer Ministerpräsident, wie ein Robert Schuman (1886-1963; lebte Zeit seines Lebens zölibatär, wollte ursprünglich Priester werden. Mitglied der Resistance im 2. Weltkrieg), französischer Ministerpräsident und Außenminister, oder wie später ein Charles de Gaulle (22.11.1890 – 09.11.1970; französischer General der Widerstandsbewegung im 2. Weltkrieg) – Präsident der Fünften Republik von 1959 bis 1969. Übrigens, alle vier praktizierende Katholiken.

*) Der gesamte Text kann bei der KAS – Konrad Adenauer Stiftung – nachgelesen werden unter:

EROSION DES KATHOLISCHEN MILIEUS

An anderer Stelle spricht der Kanzler in seinen Gesprächen unter anderem mit dem Porträtmaler Oskar Kokoschka und Cyrus L. Sulzberger von der New York Times über die politischen Konsequenzen des von Johannes XXIII. kreierten und berühmt gewordenen Begriffs des aggiornamento  (Verheutigung).

Eine politik- und geschichtswissenschaftliche Studie habe analysiert, wie diese Politik des Papstes zur Erosion des „katholischen Milieus“ geführt habe. Die ausgeprägte Religiosität sei einer stärker werdenden informellen Bindung gewichen.

Linksrutsch in Italien

Adenauer schreibt Papst Johannes XXIII. weiterhin die Hauptschuld für den Linksrutsch in Italien  zu; eine auch vom Hohen Kommissar John McCloy (1895-1989) und dem italienischen Staatspräsidenten Antonio Segni (1891-1972) geäußerte Einschätzung. In seiner Enzyklika Pacem in terris sei das Wort Kommunismus kein einziges Mal gefallen.

Neue Messe ohne Würde

Auch die mit dem Konzil  verbundene Neuordnung des Ablaufs der Heiligen Messe kritisierte der Kanzler: „(…)

  • Fehlen einer der Würde und der Bedeutung der heiligen Messe entsprechenden Ausschmückung des Altares und des Chores“,
  • den „schlechten Gesang“, die „unbekannten Lieder“, etc.

Warum haben wir nicht auf ihn gehört? Sein Pfarrer tat es offensichtlich auch nicht; der Kanzler hatte sich beim ihm beschwert.

Quelle: Konrad Adenauer – Der Katholik und sein Europa von Dorothea und Wolfgang Koch, 2. Auflage 2015 im Fe-Medienverlag, Kißlegg.