Zum spanischen Bericht: „Santiago: die Pilgerreise, die Südkorea eroberte.“
Koreanische Prominenz auf dem Camino Frances
Anno Domini 2012 im Mai, 18:30h, Albergue Fromista, unweit des modernen Bahnhofs. Die flirrende Hitze des
Tages macht zu schaffen, in den kühleren Abendstunden ist noch zu spüren. Warten auf Godot, nein: Warten auf das Pilgermenü. Neben uns am langen Tisch zwei sich gegenüber sitzende Pilger, hinter Elke am Tisch eine Vierergruppe – eine Frau, drei Männer, die Männer in kurzen Hosen – , die leise, gleichwohl engagiert diskutiert; Laute, die wir zunächst nicht so recht zuordnen können, Asiatisches. Sie sprechen über uns. Der Chef der Gruppe stellt sich vor, erwähnt seine schulischen Deutsch-Lessons, Konjugieren und so, und, wirklich, bemerkenswert, erzählt er uns noch: ihnen sei unser liebevolles Miteinandersprechen und -umgehen aufgefallen. Ein schönes Kompliment. Sie kommen aus Südkorea, die Frau eine Olympionikin in München 1972.
Wir werden sie wiedertreffen, ein tolles Gespräch mit ihnen führen, in der Herberge Mansilla de las Mulas; in abgespeckter Form auch mit einer mehrköpfigen Gruppe jüngerer Koreaner, mehrheitlich junge Frauen. Zum Beispiel in Carrion de los Condes. Eine lustige Truppe, immer lächelnd, herzlich, offen, ansprechbar.
Das spanische Camino-Nachrichtenportal caminosantiago.org
hat die Daten: In 2004 gab es nur 18 Koreaner auf dem Camino, in 2010 schon 1.455 und in 2019 der Höhepunkt mit 8.200 Pilgern. Wir jedoch sprechen von 2012. Mr. Choi, ehemaliger Vize-Minister von Südkorea, erzählt davon, wie sie überhaupt auf den Jakobsweg aufmerksam geworden seien. Eine Frau vom Fernsehen war es, die von ihren Erfahrungen auf dem Jakobsweg berichtet habe: Fremde Kulturen kennenlernen, Gastfreundschaft der Einheimischen erleben, sich selbst finden. Nahezu deckungsgleich der Bericht von caminosantiago.org vom 24. September 2024. Lediglich nachzutragen von mir noch der Name der „Fernsehfrau“, der Schriftstellerin, namens Kim Nam Hee. Sie hatte besagten Boom ausgelöst, präziser gesagt mit ihrem Buch „The Journey of a Lone Woman.“
Der spanische Autor meint, hinzufügen zu müssen, Kim Name Hee hätte es geschafft, die Essenz des Camino eingefangen haben, indem sie ihn nicht nur als religiöse Pilgerreise dargestellt habe, sondern auch und gerade als Introspektive Erfahrung. Was er genau meint, bitte im Artikel nachlesen.
Vier Christen aus Korea laden uns zu einem Gespräch ein
Wir jedenfalls lernten in 2012 eine ausgesprochen religiös-christliche Gruppe (Presbyterian Church) kennen. Jeden Tag begannen sie mit einem gemeinsamen Gebet am Wegesrand, sodann kurze Durchsprache einer Bibel-Perikope. Der Chef, Mr. Choi, einer der Generalsekretäre des Organisationskomitees der Fifa-Fußballweltmeisterschaft 2002 von Korea / Japan, erzählte ein wenig von ihrem Leben backhome, auch davon, dass er als strenger Leiter einer Gebetsgruppe das Auswendiglernen einzelner Bibelpassagen inklusive erwarte. Als er von uns hört, dass wir uns zu unserem christ-katholischen Glauben bekennen, ist er baff vor Erstaunen; wohl ungewöhnlich für ihn diese Erfahrung in Westeuropa, allemal im einstmals gut-katholischen Spanien. Den Papst könne er sich als eine Art repräsentativen Präsidenten aller christlichen Gemeinschaften vorstellen.
Wer mehr über unser Gespräch lesen will, bitte untenstehende Verlinkung anklicken und weiterscrollen bis: Begegnungen in Fromista und Mansilla de las Mulas.
Wie das koreanische Fernsehen den Jakobsweg pusht
Zurück zum Artikel der spanischen Webseite. Die koreanischen TV-Schaffenden beließen es nicht bei der Show in 2006, sie erweiterten sie in 2018 mit der beliebten Reality-Show „Shall We Walk Together“ – und: sie schufen eine Jakobsweg-ähnliche Route auf der Insel Jeju, den sog. Jeju Olle Trail in der Hoffnung, die Erfahrungen des Jakobsweges in einer koreanischen Umgebung nachbilden zu können: 425 Kilometer mit 26 Etappen. Mittlerweile gehen ihn mehr als 600.000 Menschen – jährlich. Suche nach innerem Frieden.
Zitat: „Das Phänomen des Jakobsweges in Südkorea ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie eine europäische Tradition ihre Grenzen überschritten hat und zu einem Symbol der Selbstfindung und persönlichen Suche in einem Land mit einer so anderen Kultur geworden ist. Von der Literatur über das Fernsehen bis hin zur Schaffung von Santiago inspirierten Routen haben die Koreaner in diesem alten Pilgerweg eine Antwort auf ihre eigenen zeitgenössischen Bedürfnisse gefunden.“