Saint-Marie Oloron am Pyrenäenweg. Portal entschlüsseln

Portale – wichtig für die biblische Unterweisung. Gestern wie heute. Ich tue keinem weh, wenn ich behaupte, dass eine recht anschauliche Zahl der Jakobswegwanderer religiös – nomen est omen – nicht bewandert ist, will sagen religiös unmusikalisch. Hiermit lade ich alle Interessierten ein, einmal einen besonderen Blick auf die Kirchentore zu werfen. Foto umseitig: Saint-Marie Oloron. Quelle: s.u.

Let`s go. Beispielhaft anhand der Kathedrale von Ste-Marie-de Oloron am französischen Jakobsweg. Kommt der Pilger, wie wir, von Lourdes, einem der dem bekanntesten Marien-Wallfahrtsorte, bietet sich die Mutation, den Wanderer eintauschen gegen den Peregrino autentico, quasi automatisch an.

Nochmal, welche Pilger nehmen sich auf dem Camino die Zeit, die Kirchenportale in Ruhe zu betrachten, zu entschlüsseln. Stellvertretend seien an dieser Stelle genannt auch die der Kathedralen von Viana, Burgos, Leon und Santiago de Compostela, u.v.a.m.

Der Jungfrau Maria geweihte Kathedrale von Oloron

Oloron cathédrale ste marie. Monument historque. Portalturm, Langhaus und Vierungsturm. Baubeginn 1102 n. Chr., später der Abtei Cluny zugeordnet. Der letzte amtierende Bischof starb im Jahr 1793. Infolge des zwischen Napoleon Bonaparte und dem Heiligen Stuhr (Vatikan) geschlossenen Konkordats von 1801 wurde das Bistum aufgelöst. Quelle: Wikipedia (11.02.25): gilt auch für einige nachfolgenden Texte.

FotoQuelle: commons.wikimedia (11.02.25), gemeinfrei. Author: Jibi44.

Kirchenschiff und Chor. Gotische und romanische Teile. Chor: spätgotisch. Die Orgel, vormals aus 1650 in 1870 ersetzt. Die meisten Glasfenster entstammen dem 19., manche noch dem 16. Jahrhundert.

FotoQuelle: commons.wikimedia (11.02.25), gemeinfrei. Author: Mossot

Marienverehrer Bernhard von Clairvaux

Nicht auszuschließen, dass der mittelalterliche Pilger sich eines Bernhard von Clairvaux erinnerte, der seine Marienverehrung wie folgt zu Papier brachte:

  • „Maria nachfolgend, kommst du nicht ab vom Wege;
  • sie bittend, wirst du nicht verzweifeln,
  • sie festhaltend, wirst du nicht irregehen.“

Der heilige Bernhard (1090-20.08.1153) war Gründerabt der Abtei von Clairvaux, reformierte den Zisternzienserorden, gilt als großer Mariologe, und als Kirchenlehrer der herausragende theologische Denker des Mittelalters schlechthin; bereits 1174 heilig gesprochen

Das romanische Portal des 12. Jhs.

Romanische Portal. Vom 12. Jahrhundert her erhalten, welches von einem im Erdgeschoss nach drei Seiten offenen, zum Wehrturm ausgebauten, Stelzenturm vor Witterungseinflüssen geschützt wird. 

FotoQuelle: commons.wikimedia (11.02.25), gemeinfrei

Typisch für die damalige Zeit das romanische Portal mit zwei Toren und einer tragenden Säule. Darüber das Tympanon (ausgeschmücktes Bogenfeld von Portalen), in diesem Falle unterteilt in zwei kleinere Halbkreise aus Marmor gearbeitet. Damit gab es Raum für drei Darstellungen aus der Bibel – Neues wie Altes Testament. In den gewölbten Bögen (Archivolte, Arcus volutus) sind zig Personen zu betrachten. Im oberen Bereich dürfte König David als Harfenspieler dabei sein, im unteren Bogen Handwerker, wenn ich es richtig deute.

Zwei Skulpturen parallel zu den Halbkreisfeldern behandeln die Legende von dem menschenfressenden Drachen (Tarasque) der südfranzösischen Stadt Tarascon, der im 12. Jahrhundert von der hl. Martha (sie und ihre Schwester Maria hatten den Evangelisten Lukas und Johannes zufolge Jesus zu Gast in ihrem Haus) letztlich bezwungen werden konnte.

Der Überlieferung nach soll Martha im Jahr 48 n. Chr. gemeinsam mit ihren Geschwistern nach Frankreich geflüchtet sein; sie habe nahe Marseille ein Kloster gegründet und fortan ein asketisches Leben geführt. Sie reiste nach Tarascon. Ihre Reliquien wurden dort 1187 wiedergefunden. Alljährlich wird zu Pfingsten Marthas Wirken mit einem Umzug gedacht.

Auf der linken Seite (zu Beginn des Bogens) ist dargestellt der Drache, dessen Opfer in das Himmelreich eintritt, ein mit einem Gürtel verschlossenes Kleid trägt – in Form eines liegenden Kreuzes. Auf der rechten Seite ein Reiter, dessen Pferd einen bärtigen Mann, also einen Sünder niedertrampelt.

Nun der Blick auf die Kreuzesabnahme Christi,

Eyecatcher des Portals. Sie soll der byzantinischen Kunst nachempfunden sein. Zu sehen sind Josef von Arimathäa (Mitglied des Sanhedrins, Jünger Jesu), der den Leichnam abnimmt, sowie Nikodemus (Pharisäer, Mitglied des Hohen Rates am Tempel in Jerusalem, er diskutierte nachts mit Jesus, Joh 3,1-21) und die Gottesmutter Maria, die Jesu Hände ergreifen. Über dem Kreuz deutlich zu sehen Mond und Sonne. Die Figuren der zwei Halbkreise scheinen im 19. Jahrhundert eingefügt worden zu sein: links ein Heiliger mit zwei friedlichen Löwen und rechts ein Mann mit zwei angreifenden Drachen.

Impressionen: Weg nach Ste-Marie-de Oloron und weiter