Promoter des Camino de Santiago im 12. Jahrhundert. Foto: Galerie der Päpste. St. Paul vor den Toren, Rom.
Liber Sancti Jacobi. Codex Calixtinus.
Die um 1141 n. Chr. publizierte Handschrift wurde anfangs schlicht und einfach „Iakobus“ genannt. Erst die spätere Forschung machte daraus den Liber Sancti Jacobi, das Buch des Heiligen Jakobus. Mit Blick auf den vermuteten Autor Papst Calixtus II. auch als Codex Calixtinus benannt.
Dieses Dokument, genauer gesagt das Buch V. des Codex, der Pilgerführer, hat den entscheidenden Einfluss auf die Pilgerschaft nach Santiago de Compostela genommen. Fachleute sprechen vom ältesten in Latein verfassten touristischen Pilgerführer Europas.
Der Liber Sancti Jacobi wird von Historikern und Wissenschaftlern als ein Juwel der mittelalterlichen Literatur bezeichnet und behandelt. Allein dadurch, dass Papst Calixtus II. (1119 – 1124) lange Zeit als Urheber und Verfasser des Codex` galt, führte den Camino de Santiago zur vollen Blüte. Hunderttausende pilgerten fortan gen Compostell, in manchen Jahren soll es bis zu einer Million Menschen gewesen sein. Sidestep: Heute beklagen wir uns darüber, wenn mehr als einhunderttausend Pilger auf dem Weg sind. Einige Wissenschaftler vermuten, dass sein Sekretär Aymeric Picaud, ein französischer Gelehrter und Geistlicher, den Codex Mitte des 12. Jahrhunderts zusammengestellt habe. Aymericus (oder Haimerich) war päpstlicher Kanzler.
Manuel C. Diaz y Diaz kommt in dem von Paolo Caucci von Saucken 1993 herausgegeben Bildband „Santiago de Compostela – Pilgerwege“ zu folgender Überlegung: Auch bedingt durch die immensen Pilgerscharen sei eine ganze Glaubenslehre zur Verherrlichung des Apostels Jakobus entstanden. Man verglich sich mit Rom.
Bischof Diego Gelmirez,
Bischof Diego Gelmirez, mit engen Beziehungen zum burgundischen Herrrscherhaus ausgestattet, 1100 zum Bischof von Compostela ernannt, ging sobald daran, das Ansehen des Bistums zu erhöhen. Es wurde dann folgerichtig 1120/24 zum Erzbistum aufgewertet.
Jahre später in 1130 beauftragte der Erzbischof einen kundigen Priester / Archivar mit der Zusammenstellung eines großen Buches zwecks theologischer Unterfütterung des Camino de Santiago, das alle Daten und Informationen über den heiligen Jakobus enthalten sollte. So entstanden nach und nach die einzelnen unten beschriebenen Bücher. Gelmirez legte gleichermaßen großen Wert auf die Implementierung religiöser, liturgischer Messbuchtexte, bezogen auf die beiden Festtage des Heiligen. 25. Juli: Gedenktag der römischen Kirche: Martyrium und Tod in Jerusalem und 30. Dezember: Gedenktag der spanischen Kirche: Translation / Überführung des Leichnams von Jerusalem an die Westküste des heutigen Spaniens.
Im Verlauf des gesamten Geschehens spielten darüber hinaus mehrere überregionale Protagonisten eine wichtige Rolle: die der französischen Abtei von Cluny, die des Vatikan wie Papst Calixtinus II. und Papst Innozenz II. Letzterer garantierte mit einer um 1141 erlassenen Bulle (angeblich eine Fälschung) einen im Codex enthaltenen zusätzlichen Text und bezog sich dabei explizit auf die Gesamtausgabe des Codex Calixtinus. Oben erwähnter Americ Picaud von Parthenay/Vezelay soll den von weiteren Persönlichkeiten des päpstlichen Hofes beglaubigten Codex Calixtinus in die Kathedrale von Compostela verbracht haben. So schließt sich also der Kreis für jene, die an der Urheberschaft dieses französischen Gelehrten und Klerikers festhalten. Im 14. Jahrhundert ließ der Generalsuperior der Erzdiözese, Don Berenguer de Landoria, eine genaue Kopie des Liber Sancti Jacobi erstellen; heute aufbewahrt in der Universität von Salamanca. Zwei weitere excellente Abschriften befinden sich im Vatikan und in London.
Das in der Kathedrale von Santiago de Compostela befindliche einzig noch erhaltene Manuskript des Codex Calixtinus, nicht zu verwechseln mit dem später daraus gemachten Liber Sancti Jacobi (ergänzt u. a. mit Dekorativem und weiteren Geschichten, etc.), war Anfang Juli 2011 von einem dort beschäftigten Elektriker gestohlen worden. Ein Politikum, das hohe Wellen schlug. Zwölf Monate später entdeckte man das Buch unbeschädigt in seiner Garage.
Das Jakobusbuch. Liber Sancti Jacobi
TEIL I. DES CODEX CALIXTINUS
Der Codex Calixtinus beginnt mit dem Einleitungsbrief des seligen Papstes Calixtinus II. u.a. an den ehrwürdigen Konvent der Basilika von Cluny, an die berühmten Herren Wilhelm, Patriarch von Jerusalem, an Didacus, Erzbischof von Compostela und alle rechtgläubigen Christen. Im weiteren Verlauf behandelt der Autor diverse Jakobus und den Pilgerweg tangierende Themen, nennt die Habgier in der Welt, gibt Hinweise auf die Echtheit des Codex Iacobus, zitiert Predigten, geht auf liturgische Texte und Stundengebete ein. Im Fokus steht die lange Predigt des Papstes Veneranda dies (Der ehrwürdige Tag) zu Ehren des heiligen Jakobus; vgl. Extra-Beitrag.
Die Predigt wurde gehalten zum 30. Dezember, dem Tag des Translationsfestes. Der Tag der Überführung der Gebeine wird auch heute noch gefeiert; die Hauptfeierlichkeiten hingegen werden jeweils am 25. Juli, dem Gedenktag des Heiligen, zelebriert.
Der Verfasser schildert die Translation des Apostels nach Galicien, verwirft seiner Meinung nach falsche Berichte hierüber; er geht auf die Pilgerscharen ein, die nach Compostell eilen, mehr als 70 Völker *) sollen es sein; er beschreibt die Ausstattung des Pilgers mit Stab und geweihter Pilgertasche und die damit verbundene Bedeutung nebst der Gebete und nicht zuletzt geht er auf die Symbolik der Jakobsmuschel ein. Mit der Pilgertasche werde die Freigebigkeit in Almosen und die Abtötung des Fleisches versinnbildlicht. Der Stab als quasi dritter Fuß symbolisiere den Glauben an die Heilige Dreifaltigkeit.
*) 70 Völker: Mittelalterliche Namen: „Illuc populi barbari et domestici cunctorum cosmi climatum adveniunt, scilicet Franci, Normanni, Scoti, Hiri, Galli, Theutonici, Yberi, Wasconi, Baioari, Navarri impii, Bascli, Gotti, Provinciales, Garasqui, Lotharingi, Gauti, Angli, Britones, Cornubienses, Flandri, Frisi, Allobroges, Itali, Apuli, Pictavi, Aquitani, Greci, Armeni, Daci, Noroequi, Russi, Ioranti, Nubiani, Parthi, Romani, Galate, Ephesi, Medi, Tuscani, Kalabriani, Saxones, Siciliani, Asiani, Ponti, Bitiniani, Indiani, Creti, Hierosolimitani, Antiocheni, Galilei, Sardani, Cipriani, Ungari, Bulgari, Ysclavoni, Africani, Perse, Alexandrini, Egiptii, Suriani, Arabes, Colosenses, Mauri, Ethiopes, Philipenses, Capadoci, Corinti, Elamite, Mesopotamiani, Libiani, Cirenenses, Pamphiliani, Ciliciani, Iudei, et ecetere gentes innumerabiles.“Quelle: Gonzalo Torrente Ballester, Pilgerlesebuch Santiago de Compostela.
Die meisten Völkernamen dürften einem irgendwie bekannt vorkommen, einige scheinen mir fremd. Interessant ist, dass in Calixtinus II. Aufzeichnungen nahezu die gesamte bis dahin bekannte Welt vorkommt, wobei er die Chinesen nicht erwähnt, weil sie wohl noch nicht vom Evangelium gehört hatten. Weiterhin bemerkenswert, dass er auch die Araber nennt.
DIE EIGENTLICHE MOTIVATION DES PILGERS
Der Weg des Pilgers sei für den Rechtschaffenen die Absage an Laster, die Abtötung des Leibes, die Vergebung der Sünden, die Buße der Büßer, der Weg der Gerechten, die Liebe der Heiligen, die Hoffnung der Auferstehung und der Lohn der Seligen, die Abwendung von der Hölle und die Versöhnung mit dem Himmel. Der wahre Pilger teile mit den Armen und den bedürftigen Pilgern. Die das nicht täten, seien keine echten Pilger – sondern Diebe und Banditen Gottes. Im weiteren Verlauf seiner Predigt verweist der Papst auf die Apostel, die weiland von Jesus ja ohne Geld auf die Missionsreise geschickt worden seien.
„Die Apostel waren Pilger, weil der Herr sie ohne Geld und ohne Schuhwerk schickte. Deshalb ist es den Pilgern nicht erlaubt, in irgendeiner Form Geld mitzunehmen, wenn sie dieses Geld nicht mit den Armen teilen.“
„Und so wie jene (die Söhne Israels) nach vielen Entbehrungen ins Land der Verheißung zogen, so erlangen die Pilger, um in das den Gläubigen versprochene himmlische Vaterland einziehen zu können, die Gemeinschaft der Heiligen, nachdem sie die unzähligen Betrügereien der Wirte erlitten, Berge bestiegen, in die Täler hinuntergewandert, von Räubern überfallen und verschiedene Gefahren sowie Mühsale auf dem Weg zu den Stätten der Heiligen überstanden haben.“ Quelle: Ausarbeitung TU-Dresden, Kunstgeschichte Spanien, Webseite vom 12.06.2006.
Wichtig ist ihm auch, dass, bevor der Pilger seine Reise antritt, er sein Gewissen prüft,allen vergibt, die ihm Unrecht angetan haben, Meinungsverschiedenheiten bereinigt, sein Haus in Ordnung zurücklässt für Frau und Kinder.
Der Apostel Jakobus habe große Vorbilder in Adam, Jakob bis hin zu Jesus Christus selbst gehabt.
GEFAHREN
Einen ganz wichtigen Teil seiner Predigt nimmt das Laster ein, vor allem das derjenigen der schlechten Wirte, der Räuber, der Diebe, der Prostituierten, der Lügenmärcherzähler über den heiligen Jakobus, der falschen Beichtväter, der betrügerischen Geldwechsler, der hinterlistigen Händler und der gierigen Zöllner. Sie alle habe der Pilger zu fürchten. Gleichwohl schließt der Papst das Kapitel versöhnlich mit einem Lob auf den Heiligen Jakobus, auf das spanische Volk, auf die Grabstätte und auf die frommen Pilger selbst.
TEIL II. DAS BUCH DER WUNDER
Das Buch der Wunder geht auf zweiundzwanzig Wunder ein, die dem Wirken des heiligen Jakobus zugeschrieben werden; überliefert unter anderem aus Galicien, Deutschland, Ungarn, Italien. Damit wurde letztlich verdeutlicht, dass schon zu diesem Zeitpunkt der Jakobuskult in großen Teilen Europas verbreitet war.
TEIL III. VEREHRUNG DES HEILIGEN
Das Buch der Verehrung des Heiligen behandelt vor allem die wundersame Translation Jakobi von Jerusalem nach Spanien; es zitiert einen Brief von Papst Leo und erklärt neben den Jakobsmuscheln die drei Feiertage des hl. Jakobus: 25. März: Martyrium; 25. Juli: Translation, 30. Dezember. Für die damaligen Gläubigen Beweis genug, dass seine leiblichen Überreste sich tatsächlich in Compostela befinden.
IV. PSEUDO-TURPIN
Der 4. Teil ist Karl dem Großen gewidmet. Es thematisiert den Feldzug König Karls Anno Domini 778 gegen die Mauren, was laut Papst einher ging mit dem ungehinderten Zugang der Pilger zum Grab des Apostels in Compostell. Danach hatte Karl in einer nächtlichen Vision von Jakobus eben diesen Auftrag erteilt bekommen. Karl (der Große) folgte der Vision, befreite Compostela und gründete die Kathedrale des Heiligen. Im weiteren Verlauf wird sein erfolgreicher Kampf gegen die Mauren beschrieben.
ERGÄNZUNG 2019. BUCH IV. DES CODEX CALIXTINUS / LIBER SANCTI JACOBI
PSEUDO-TURPIN / HISTORIA CAROLI MAGNI
Das Buch wurde lange Zeit bis zur Renaissance (15./16. Jh.) Erzbischof Turpin von Reims (748 bis 794) zugeschrieben – Paladin und einer der „Zwölf Peers“ Karls des Großen im altfranzösischen Rolandslied. Für deutsche Wissenschaftler Betrug, weil Fälschung für Spanier Autorenzuschreibung ein Brauch des Mittelalters
Eindrucksvoll das Kapitel 17, das den Kampf Rolands mit dem Riesen Ferragut behandelt; auf dem Camino Frances mehrere Male thematisiert unter anderem in Roncesvalles, Estella und Najera. Die Protagonisten diskutieren über ihren Glauben in einer Intensität, die ihres gleichen sucht. Roland erklärt dem Moslem Ferragut die heilige Dreifaltigkeit Gottes und die Auferstehung Jesu Christi, des Sohnes Gottes, in einer theologischen Tiefe, die ich nicht für möglich erachtet hätte. Beide Aussagen hält Ferragut für Unsinn. Letztlich einigt man sich auf das Procedere, das Ferragut in etwa wie folgt zusammenfaßt: „Ich werde mit Euch unter folgender Bedingung kämpfen: Wenn dieser Glaube, den ihr habt, wahr ist, werde ich verlieren; wenn er falsch ist, wirst du besiegt werden. Möge das Volk des Verlierers in Ungnade fallen und das des Gewinners für immer mit Ehre und Ruhm erfüllt sein.“ Wer gewonnen hat? Roland.
Die Chronik schildert durchaus romanhaft den Feldzug Karls des Großen auf der spanischen Halbinsel, seine resp. Rolands Niederlage bei Roncesvalles und nicht zuletzt die Träume Karls des Großen, in welchen ihn der heilige Apostel Jakobus auffordert, sein Grab in Compostelle von den Moslems zu befreien, das Grab den Christen wieder zugänglich zu machen. Karl sollte dabei gen Westen dem Sternenweg folgen.
MEIN FAZIT
Das 4. Buch des Codex Calixtinus sollte man gelesen haben, egal wem letztlich die Autorenschaft zugeschrieben werden wird: Bischof Turpin des 8. Jahrhunderts oder einem Unbekannten des 12. Jahrhunderts.
Für deutsche (Hobby-)Historiker ist das Buch IV. eine glatte Fälschung, weil besagter Bischof Turpin es nicht geschrieben haben kann. Sie sprechen gar von einem Betrug, der erst in der Renaissance aufgedeckt werden konnte.
Spanische Quellen / Historiker hingegen urteilen nicht so apodiktisch negativ, wählen vielmehr eine elegantere Beschreibung, die in etwa wie folgt lautet: Das Buch wurde in Prosa von einem anonymen Geistlichen französischer Herkunft geschrieben, wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Entsprechend dem Brauch des Mittelalters schreibt es die Autorenschaft einer allseits bekannten historischen Person zu, in diesem Fall Bischof Turpin (8. Jh.), dem ehemaligen Mönch und Schatzmeister von Saint-Denis und späteren Erzbischof von Reims.
Schade, daß es derzeit keine annehmbare deutsche Übersetzung gibt; so war ich auf die einschlägigen Internetquellen wie auf Kevin R. Poole`s Chronicle of Pseudo-Turpin (Italica Press, New York 2014) angewiesen.
CHRONIK mit 26 Kapiteln
Die Titel-Überschriften zu den Geschichten Karls des Großen und seinen Eroberungen in Spanien / Conquistas de Carlomagno:
1. Von der Erscheinung des Apostels bis Karl dem Großen
2. Von den Mauern Pamplonas, die von selbst eingestürzt sind
3. Die Namen der eroberten Städte Spaniens
4. Über das Idol Muhammad
5. Von den von Karl dem Großen gebauten Kirchen
6. Über Aigolando
7. Vom Beispiel des Toten Almosen
8. Über die Schlacht von Sahagun und den blühenden Speeren
9. Von der Stadt Agen
10. Von der Stadt Saintes, wo die Speere blühten
11. Über die Soldaten der Armeen Karls des Großen
12. Von der Kontroverse Karls dem Großen mit Aigolando
13. Über die Armen
14. Vom Tod des Königs Aigolando
15. Von den Christen, die von ihrer Suche nach illegaler Beute zurückkehrten
16. Von der Schlacht mit Furre
17. Über den Kampf Rolands mit dem Riesen Ferragut und vom exzellent geführten Disput Rolands
18. Über die Schlacht der Masken
19. Vom Konzil Karls des Großen
20. Über Karl dem Großen und seiner Härte/Strenge
21. Von der Schlacht von Roncesvalles, Rolands Tod und anderen Kämpfern
22. Vom Tod Karls des Großen
23. Vom Wunder, das Gott auf Wunsch Rolands in der Stadt Grenoble tat
24. Vom Tod Turpins und der Entdeckung seines Leichnams (Papst Calixtinus)
25. Über Almanzor von Cordoba (Papst Calixtinus)
26. Vom Kreuzzug in Spanien (Brief Papst Calixtinus)
TEIL V. ZUR PILGERWALLFAHRT
Der Teil V. des Liber Sancti Jacobi wird als Anleitung für die Durchführung der Wallfahrt nach Compostela verstanden. Er beginnt mit den Worten: „INCIPIT LIBER. IIII. SCI. JACOBI. A – Hier beginnt das IV. (V.) Buch des heiligen Apostels Jakobus.“ Das Vorwort des seligen Papstes Calixtus schließt sich an: „Wenn der gebildete Leser in unseren Werken die Wahrheit sucht, wird er sie in diesen Blättern bedenkenlos und ohne Zögern finden, denn alles was hier geschrieben ist, bezeugen viele, die noch leben, als wahr.“
Der Pilgerführer besteht aus elf Kapiteln, in denen es von praktischen Tipps nur so wimmelt. Er beschreibt detailliert die Hauptwege Via Turonensis, Via Lemovicensis, Via Podiensis und Via Tolosana.
Die in den Kapiteln 1 und 2 erwähnten Strecken über den Somportpass, Puente la Reina, Pamplona, Burgos und letztlich von León nach Compostela sollten die „Pilger, die nach Compostell aufbrechen und dies hören, (in die Lage versetzen), die nötigen Reisekosten im Voraus planen zu können.“
Die vermerkten Tagestrecken sind bis zu sechzig Kilometer lang, also kaum vom Fußpilger schaffen, wohl mehr mit dem Pferd. Es kann durchaus sein, dass die Autoren letztlich diese Distanzen bewusst gewählt haben, um die Pilger nicht …
Der Pilgerführer geht gleichermaßen auf viele an diesem Weg gelegene Orte ein, auf deren Namen und Bedeutung; beschreibt in den Kapiteln 4 und 5 das Hospiz Santa Cristina vom Somportpass, es sei neben den Hospizen in Jerusalem und jenem auf dem St. Bernhard-Pass das wichtigste und bedeutendste. Im weiteren Verlauf unterlässt er es nicht, auch die Namen der berühmten Straßenbauer zu wiederholen, die den Camino erst mehr oder weniger gangbar gemacht hätten.
In den Kapiteln 6 und 7 widmet sich der Pilgerführer den Gefahren wie schlechte (vergifte) und gute Wasser, den Charakterzügen der Einwohner entlang der Pilgerstraßen. Im Kap. 9 den heiligen Reliquienstätten und Kirchen, die der Pilger unbedingt besuchen sollte; der Beschaffenheit der Stadt Compostela und ausgesprochen ausführlich und detailgenau der Basilika des heiligen Jakobus wie Maße der Kirche, Anzahl der Fenster, alle Portale, Altäre, etc.
Die Kapitel 10 und 11 gehen auf die Opfergaben ein, die jeder Pilger dem heiligen Jakobus darbringen soll – letztlich zwecks Finanzierung der bedürftigen Rückreisepilger. Überschrift: Würdige Aufnahme der Pilger in Compostela.
Museum Ponferrada. Codice Calixtino.
Vorwort des seligen Papstes Calixtus
„Wenn der gebildete Leser in unseren Werken die Wahrheit sucht, wird er sie in diesen Blättern bedenkenlos und ohne Zögern finden, denn was hier geschrieben ist, bezeugen viele, die noch leben, als wahr.“
Des weiteren geht der Papst auf die seiner Meinung nach in schlichtem Stil geschriebenen Predigten ein, damit sie Laien und Kundige gleichermaßen verstehen.
BEISPIELE Kapitel 6 und 7
„Der Fluss in Logroño heißt Ebro, sein Wasser ist gut und reich an Fischen. Alle Flüsse zwischen Estella und Logrono führen ein für Pferd und Menschen todbringendes Wasser, und vom Verzehr ihrer Fische wird abgeraten.“
„Vom Cisapass bis nach Santiago verbleiben 13 Etappen (…) Die neunte von Leon bis Rabanal, die zehnte von Rabanal bis nach Villafranca, nachdem man den Monte Irago überquert hat. Die elfte nach Triacastela über den Cebreropass; die zwölfte reicht von Triacastela nach Palas del Rey; die dreizehnte bis nach Santiago ist kurz.“
„Dies sind die Namen einiger Straßenbauer, die zu Zeiten des Erzbischofs Diego von Compostela, des Kaisers Alfons von Spanien und Galicien und des Papstes Calixt den Jakobsweg von Rabanal bis zur Minobrücke aus Liebe zu Gott und zu seinem Apostel instand setzten. Dies geschah vor dem Jahr 1120 unter der Regierung des Königs Alfons von Aragonien und Ludwigs des Dicken von Frankreich: Andreas, Roger, Alvitus, Fortus, Arnold, Stephan und schließlich Petrus, der die von Königin Urraca zerstörte Minobrücke wiedererbaute. Die Seelen dieser Männer und ihrer Helfer mögen ewig in Frieden ruhen.“
Hinweise
Weitere Auszüge des Codex Calixtinus sind den einzelnen Etappen unseres REISEBERICHTs WESTWÄRTS zu entnehmen.
Es gibt gute Literatur. Hier empfehle ich unter anderem die betreffenden Bücher von Prof. Klaus Herbers (auch als Quelle herangezogen: Der Jakobsweg – Ein Pilgerführer aus dem 12. Jahrhundert, Reclam 2008) und den oben beschriebenen Bildband von Paolo Caucci von Saucken, wie Kevin R. Poole`s Chronicle of Pseudo-Turpin.
Schon bald mehr über die Vita des Papstes, mit bürgerlichem Namen Guido von Burgund (1060-1124): 162. Nachfolger Petri, gewählt im französischen Stift Cluny am 02.02.1119. Berühmt geworden: Wormser Konkordat: Beendigung des Investiturstreites zwischen Kaiser und Papst, Laterankonzil 1023, Vorwegnahme ex cathedra.