Ohne Clavijo, 9. Jh., kein Camino de Santiago?

Symbol der Rückeroberung (Re-Conquista) der iberischen Halbinsel. Diese Legende ist eine der schönsten Kapitel der sagenumwobenden spanischen Geschichte.

Der Abstecher nach Clavijo lohnt, auf jeden Fall für den geschichtlich Interessierten. Für den fußläufigen Pilger dürfte nahezu ein zusätzlicher Tag draufgehen. Von Logrono sind es zu Fuß knapp 3 Stunden mit 15,1 km; mit dem Auto ist das Ganze in 27 Minuten zu schaffen.

Überreste der Burg von der Schlacht von Clavijo, Foto aus 2018. 

Die Kathedrale von Santiago de Compostela gedenkt dieser Schlacht, der Erscheinung des Apostels in Clavijo, am 23. Mai 884, indem sie an jedem 23. Mai in der Kathedrale eine feierliche Messe zelebriert und das Weihrauchfass „Botafumeiro“ auf ihre Kosten schwenken lässt.

Schlacht von Clavijo, 844 n. Chr.

Christliche Ritter siegen gegen übermächtig erscheinende Sarazenen

Kathedrale Burgos. Der Matamoros, Foto aus 2006.

Der heilige Jakobus soll der Legende zufolge am 23. Mai 844, andere Quellen sprechen von 834, als edler Ritter auf einem weißen Ross die entscheidende Wende herbeigebracht und den Christen zum Sieg gegen die moslemischen Sarazenen verholfen haben.

Die Protagonisten dieser Schlacht auf dem Campo de la Mantanza nahe Rioja waren König Ramiro I. von Asturien (geb. 790, König von 842-850) und Emir Abd ar-Rahmann II. (geb. 792; 4. Emir der Ummayyaden von Cordoba von 822-852). Zunächst waren die christlichen Kämpfer hoffnungslos unterlegen, in die Flucht geschlagen worden. Nahe Clavijo sei dann König Ramiro I. der Apostel Jakobus als Schutzheiliger Spaniens im Traum erschienen (wer denkt jetzt nicht unwillkürlich an Kaiser Konstantin den Großen und seiner Vision im 4. Jahrhundert?) und habe ihm für die kommende Schlacht Hilfe zugesagt.

Christusmonogramm vs. „Hilf uns, Gott und heiliger Jakob!“

Meister VBL: Die Schlacht von Clavijo. Um 1630/1640, im Museum für Angewandte Kunst in Köln. Quelle: Heiligenlexikon .

Konstantin der Große hatte weiland (4. Jh.)auf den Schilden seiner Soldaten das Christusmonogram aufbringen lassen, König Ramiros Soldaten hingegen stürzten sich mit dem Ruf Hilf uns, Gott und heiliger Jakob! in den Kampf. Der Apostel hatte ja sein Versprechen eingehalten und war den Christen als Ritter auf einem Schimmel reitend erschienen.

Zum Dank für diese Unterstützung und den Sieg – zigtausend Feinde waren gefallen – sagte Ramiro I. der Kathedrale von Santiago eine jährliche Zahlung zu; zu leisten von allen Christen im Reich.

Legende, Mythos, Fälschung oder Wahrheit? 

Wer weiß das schon genau? Es soll einen Bericht, eine von König Ramiro I. ausgestellte Urkunde geben, dem Privilegio de los Votos. Heutige Wissenschaftler gehen (natürlich) davon aus, daß der Kleriker Pedro Marcio diese Urkunde Mitte des 12. Jahrhunderts gefälscht hat; ich denke, gefälscht haben muß. Warum? Weil für das Zeitfenster Anno Domini 844 bis Mitte des 12. Jahrhunderts (vermeintlich) keine ergänzenden Aufzeichnungen festzustellen seien. Dieses spektakuläre Geschehen hätte aber ausführlich berichtet werden müssen. 

Sidestep. Interessant ist, dass, immer wenn es um die christlichte Geschichte geht, muss alles lückenlos nachwiesen sein. Das trifft nicht auf profane Geschichtsereignisse zu. Beispiel Homer? Herodot (antiker griechischer Geschichtsschreiber, 490 bis 420 v. Chr.) schätzt, dass Homer 400 Jahre vor ihm gelebt haben müsste, also etwa um 850 vor Christus. Das erinnert mich ferner an die Aussage eines katholischen Historikers, der die Schlacht von Poitiers/Tours des Jahres 732 mit Karl Martell an der Spitze der Christen kleinredete, da die moslemischen Sarazenen quasi nichts darüber berichtet hätten. Warum sollten sie? Sie hatten ja zum ersten Mal eine vernichtende Niederlage erlebt.

Spätere Chronisten wie Lucas von Tuy und Rodrigo Jimenez de Rada des 13. Jahrhunderts glaubten der Urkunde und so gelangte sie in spätere Geschichtswerke, insbesondere in die Estoria de Espana/Cornica General. Quelle u.a. Robert Plötz. Pilgerheilige und ihre Memoria. Abschnitt Santo Domingo de la Calzada. Jakobus-Studien. Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen 2012.

Fotos aus 2018 während unserer Extratour „Fotoshooting“ mit Stefan, unserem Erstgeborenen. An jenem Tag im Mai waren wir drei völlig allein. An sich nicht verständlich; zumindest diejenigen, die sich für die Geschichte des Camino de Santiago interessieren, sollten hier gewesen sein und nicht voreilig von Legende, Mythos oder Fälschung sprechen. Fakt ist, die Burg ist real. Lange vor der „Cancel-Culture“-Diskussion wurde nicht nur auf den betreffenden Portalen darüber diskutiert, ob man nicht mit der Figur des Matamoros einige Pilger wie auch Menschen moslemischen Glaubens diskriminieren würde. Einige Kirchen handelten im vorauseilenden Gehorsam, entfernten entweder die Figur oder deckten vermeintlich anstößige Teile der Skulptur ab.

Die Burg wurde vor dem 10. Jahrhundert von den (moslemischen) Mauren wegen der strategischen Lage errichtet: von hier aus lassen sich Tal und Wege entlang der Flüsse Leza und Iregua kontrollieren. 923 fiel sie an die christlichen Truppen unter Ordoño II. von León und Sancho I. von Navarra. Am 3. Juni 1931 wurde sie zum Monumento Nacional (heute Bien de Interés Cultural) erklärt. 1969 wurde sie an die Provinz Logroño übertragen, die sie 1970 teilweise restaurieren ließ. Der sog. Bergfried wurde 1999 unter der Leitung des Architekten Julio Sabrás restauriert. Auf der Burg ist die schwertförmige Cruz de Santiago, das Jakobskreuz, angebracht, das Teil des riojanischen Wappens bildet. (…)

25. Juli, Jakobsfest: Prozession mit der Figur des Heiligen von der Iglesia de la Asunción bis zur Basílica de Santiago en Monte Laturce. Gleichzeitig wird von den Frauen des Dorfes eine Figur der Jungfrau Virgen de Tentudía mitgeführt. (Der Name bezieht sich auf die während der Schlacht von Clavijo an die Jungfrau Maria gerichtete Bitte, den Tag anzuhalten, damit länger Zeit bliebe, die Mauren zu besiegen.) Beide Figuren verbleiben in der Basilika bis zum 23. Mai des Folgejahres