Kathedrale Santa Maria de Regla. León. Pulchra Leonina – die Schöne Leonerin.

„Wir verließen die Kathedrale. Pater Vinayos Begleiter schalteten die Scheinwerfer aus, und Dunkelheit breitete sich über die riesige Masse aus Glas und schlankem Stein. (…) In diesem Augenblick gingen innen in der Kirche Lichter an, und ein überwältigender Anblick bot sich mir: eine riesige Kathedrale bar aller Schwere, bar aller Mauern, in Licht und Farbe aufgelöst; freischwebende Fenster, die in tausendfältiger Farbenpracht glühten. (…) Ehrfurchtsvoll bewunderten wir diese Schönheit.“

Quelle: James A. Michener. Iberia. Reisen und Gedanken, 1968.

Die Kathedrale von Leon ist eine von Frankreich nach Spanien getragene Fackel, und genau wie die gotischen Kathedralen Frankreichs dient sie vor allem als Palast der Muttergottes und sie ist eine derart grandiose, strahlende, geräumige, wunderschöne und und von vielen Farben schimmernde Stätte, dass sie bestimmt gerne hier residiert und sich nicht davonmacht, um die Gebete anderer Städte zu erhören.“

Quelle: Robert Ward. Pilgerwege eines Ungläubigen. Unterwegs zwischen Santiago, Fatima und Lourdes, 2004.

Der Grundriss des im 13. Jahrhundert wieder errichteten Doms erinnert an den der Kathedrale von Reims. Erster Baumeister war Meister Enrique, der zuvor zwischen 1243 und 1260 schon am Bau der Kathedrale in Burgos mitgewirkt hatte.

Vielleicht die schönste Kathedrale Spaniens.

Kardinal Angelo Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII.„Dieses Gebäude besitzt mehr Glas als Stein, mehr Licht als Glas und mehr Glauben als Licht.“ 

In römischer Zeit stand hier eine Thermenanlage, über der König Ordono II. (994-24) im 10. Jahrhundert einen Palast mit Kirche bauen ließ, als Dank für seinen Anno Domino 916 über die Mauren errungenen Sieg. Im Jahre 999 wurde König Alfons V. im Dom gekrönt. Nach der Übersiedlung der Reste des heiligen Isidors nach León bezahlte König Ferdinand I. im Jahre 1067 den Ausbau der mittlerweile stark zerstörten Kathedrale. Bischof Manrique de Lara legte 1199 den Grundstein für den Bau einer neuen Kirche, die Arbeiten wurden aber erst in 1253/1255 aufgenommen und besonders von König Sancho IV. (1284-95) gefördert. 1303 wurde die Kathedrale eingeweiht.

Die Westfassade entstand

… in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Drei spitzbogige Portale führen hinter einer offenen Halle in das Gotteshaus. Die Reliefs dürften zwischen 1270 und dem 14. Jahrhundert entstanden sein. Die Einflüsse der Pariser, Reimser und Chartreser Schule sind evident.

Westfassade. Jedes Portal gehört zu einem Schiff, gedankliche und organische Klarheit des Tempels.

Johannes-Portal. Portal des Jüngsten Gerichts. Portal des Hl. Franziskus

Am Mittelportal ist die Auferstehung Christi und das Jüngste Gericht dargestellt, an den Seitenportalen die Szenen aus dem Leben Marias. Die Capilla de Santiago, die von der ersten Kapelle des nördlichen Chorumgangs aus zugänglich ist, wurde von Juan de Badajoz im 16. Jahrhunderts erbaut.

Im linken Teil des Mittelportals, gekrönt von Baldachinen, erscheinen die Apostel Johannes, Jakobus der Ältere und Petrus. Jakobus ist mit den üblichen Insignien wie Hut, Beutel und Stab des Pilgers ausgestattet. Petrus hält den Schlüssel, Johannes ein Fäßchen (nicht wie sonst mit einem Kelch) als Hinweis auf sein bevorstehendes Martyrium im siedenden Öl. Alle Figuren entstammen verschiedener Meister verschiedener Zeiten. An der Jakobusfigur rieben die Pilger ihre Medaillen und Kruzifixe.  

auf das Ziel des irdischen Pilgerweges des Menschen und der Kirche hin: dem Himmel entgegen. Mir fällt es an dieser Stelle schwer, die Fülle und Schönheit der Glasfenster zu beschreiben. Wahrscheinlich sind die ersten Glasfenster französischer Herkunft. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts bildeten sie eine große ästhetische Einheit ab. Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie restauriert: 1.800 qm Gesamtfläche der Buntglasfenster, davon drei große Rosetten mit einem Durchmesser von je acht Metern.

Die Hohen Fenster sind thematisch angeordnet (hier sind nur einige wenige zu sehen). Sie zeigen nahezu alle relevanten biblischen Protagonisten von Adam und Eva über Abraham, die Propheten und Könige, Christus den Segen erteilend, die Apostel, darunter Jakobus als Pilger, den Stammbau des Jesse, die Märtyrer, Erzengel, Maria, die Jungfrau mit dem Kind, Joseph, Gründerheilige und Bischöfe, die heilige Isabella, etc.

In den Fenstern erscheint die siegreiche Kirche mit ihren Heiligen und Zeugen der Wahrheit. Jedes Glasfenster verwandelt sich in eine Quelle mit tausend Farben und voll von einer transzendentalen Nachricht:

Kardinal Angelo Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., drückte es weiland so aus: „Dieses Gebäude besitzt mehr Glas als Stein, mehr Licht als Glas und mehr Glauben als Licht.“ 

  • Wird das Licht zum Wort oder das Wort zum Licht?

Anmerkung: Wort = Logos = Wort Gottes = Jesus Christus = Gott. Ein großer französischer Architekt des vergangenen Jahrhunderts hat es einmal – ergänzend – so ausgedrückt:

  •  „Das Licht, das von Gott kommt und nichts anderes will und kann, als sich selbst mitzuteilen, durch sich selbst das dunkle Tal hell zu machen.“

Ein großartige Metapher.

Es gibt nach Meinung von Kennern kein Gotteshaus, das im Verhältnis zum Stein so viele Fenster hat (1.800 qm). Das Bauwerk hätte schon längst einstürzen müssen. Warum tut es das aber nicht?

Es liegt an den genialen Baumeistern, die mit den hier ansatzweise zu sehenden Strebebogen und Strebepfeiler ein Konstrukt gefunden haben, das seines Gleichen sucht: Geheimnis der Leichtigkeit und des subtilen Charakters.

Impressionen vom Inneren der Kathedrale

Die Kathedrale fest in Mariens Hand

Die verehrten Marienfiguren tragen Namen wie Maria la Blanca (am Hauptportal plaziert),

in der Kathedrale die Virgen de la Esperanza (Maria die Weiße als dickbäuchige Jungfrau in Hoffnung), die Madonna del Carmen 

und an der Nordfassade die Virgen del Dado, die Jungfrau vom Würfel.

Mit der Virgen del Dado verknüpft sich eine schöne Legende des Mittelalters. Ein Pilger, nach einer anderen Version ein Kapitän aus Flandern, oder auch nur ein betrunkener Spieler, soll aus Wut über seine verlorenen Wetten dermaßen seinen Würfel von sich weg geschleudert haben, dass dieser auf die Statue der Jungfrau Maria mit dem Kind prallte und das Jesuskind direkt mitten auf der Stirn traf.

Die Szene ist in einem Buntglasfenster der gegenüberliegenden Wand eingefangen  und zwar von Meister Valdovin auf Kartons von Nicolas Frances im 15. Jahrhundert.

Den anwesenden Meßbesuchern stockte der Atem, als aus dem heiligen Antlitz Blut strömte. Je nach Version der Geschichte fiel der Übeltäter auf Straße tot um, oder er wurde zum Schafott geschleppt.

Die Muttergottes jedoch nahm den Würfel, der ihr Kind verletzt hatte, an sich und hält ihn bis heute an der Hand. Quelle: Catedral Leon und Robert Ward, vgl. oben. – Wie auch immer, in jeder Legende steckt ein Quenchten Wahrheit oder Wirklichkeit. Sie als Märchen abzutun, wäre vorschnell.

Nordfassade. Virgen del Dado, die Jungfrau vom Würfel.

FotoQuelle: commons.wikimedia (07.08.25), gemeinfrei. Author: José Luis Filpo Cabana

Nachstehend in der Zusammenstellung Fotos verschiedener Marienfiguren.

Quelle zum Text der Fotos: teils „Der Dom zu Leon – Licht und Glauben, Edilesa 2, verbesserte Auflage 1998