James A. Michener, US-Schriftsteller, Pulitzer-Preisträger, verarbeitete dieses Phänomen in seinem Bestseller Iberia – Reisen und Gedanken aus 1968. Auch und gerade interessant zu lesen im Hinblick seiner Besuche des Camino de Santiago resp. unter anderem der Kathedralen von Leon und Santiago de Compostela.
Alles alles begann
Felipe II. (1527-1598), einziger legitimer Sohn des Habsburger Kaisers und spanischen Königs Karls V. mit Isabella von Portugal, war ein gläubiger Katholik, der den um sich greifenden Protestantismus zurückdrängen wollte. „Bevor ich zulasse, dass der Religion und dem Dienst an Gott der kleinste Schaden zugefügt wird, möchte ich lieber alle meine Länder verlieren und hundert Leben, wenn ich sie besäße“.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts loderte die spanisch-englische Feindschaft wieder auf. Beide Länder versuchten, die jeweils eigene Konfession auch über die Landesgrenzen hinaus durchzusetzen. Das wirkte sich auch auf die Niederlande aus.
Ein persönlicher Gegner König Felipes war ins Ausland geflohen und hatte dort haarsträubende Gerüchte über den spanischen Hof verbreitet. Diese Gerüchte nutzte Wilhelm von Oranien, auch Wilhelm der Schweiger genannt, seine aufrührerischen niederländischen Landsleute hinter sich zu scharren. Bedenkenlos stempelte er dabei seinen katholischen Kontrahenten Felipe II. als skrupellosen und schrecklichen Herrscher ab. Leider mischten auch die katholischen Italiener mit, die aus reinem Machtkalkül Spanien desavouierten.
Die schwarze Legende war geboren
Fake-News wurden also in die Welt gesetzt. Sie halten sich nicht nur nach wie vor, sie werden je nach Gelegenheit gerne auch heute genüsslich zitiert – immer dann, wenn es der katholischen Kirche an den Kragen gehen soll.
- Die katholische Kirche habe Spanien geknebelt und das Land absichtlich in Unwissenheit gehalten.
- Von Spanien aus wolle sie die ganze Welt unterjochen.
- Um die eroberten Gebiete zu überwachen, hätten die spanischen Katholiken die Inquisition erfunden, die sie auch in allen unterworfenen Ländern einzuführen trachteten.
- Urheber allen Übels sei König Felipe II.
- Er sei ein gemeiner Mensch, der seine Ziele skrupellos auch mit verbrecherischen Mitteln durchsetze.
Die Spanier sehen gleichermaßen als Mit-Urheber der Verbreitung der Leyenda negra die Verschwörung protestantischer Wissenschaftler, die ihr Land, das katholische Spanien, bewusst verleumdet und zu diesem Zweck die geschichtlichen Tatsachen verdreht hätten; heute noch tun.
Schon in der Schule fehlinformiert, indoktriniert worden
James A. Michener schildert eindrucksvoll, wie er und seine Schulkameraden von protestantischen Professoren – offensichtlich bewusst – fehlinformiert wurden: Während es zunächst hieß, hätte Spanien nicht den Islam an den Pyrenäen im 8. Jahrhundert zurückgedrängt, wäre heute der Westen moslemisch, hieß es später, hätte in 1588 nicht die englische Flotte die spanische Armada besiegt, wäre der Westen jetzt katholisch.
Friedrich Schiller auch dabei
Als weiteres Beispiel der Indoktrinierung nannte Michener das in 1901 von Rider Haggards verfasste Buch Lysbeth, a Tale of the Dutch. Es zeichne seiner Meinung nach ein völlig verzerrtes Bild von Spanien und habe auch hässliche Bilder hinzugefügt, die beweisen sollten, wie gefangengenommene protestantische Führer von den katholischen Spaniern physisch und psychisch misshandelt worden seien.
Fatalerweise trug gar ein Friedrich Schiller zu diesem Zerrbild bei. Mit seinem Drama Don Carlos aus 1785 stellt er Felipe II. als krankhaft eifersüchtigen Herrscher dar, der lt. Schiller seinen eigenen Sohn aus Angst, selbiger könnte zum Protestantismus konvertieren, sowie aus dem Argwohn heraus, er unterhalte blutschänderische Beziehungen zu seiner Steifmutter Elisabeth von Valois, hat ermorden lassen. In Giuseppe Verdis Oper Don Carlos 1767 schneidet Felipe II. auch nicht viel besser ab.
Mich erinnert das an Rolf Hochmuths Theaterstück Der Stellvertreter, in welchem der Autor gleichermaßen das Publikum täuschte, um die katholische Kirche, vertreten durch Papst Pius XII. zu desavouieren.
Inquisition nicht von Felipe II. eingeführt
Für Michener ist evident, und das hätten die neuesten Forschungen bewiesen, dass nicht Felipe II. die Inquisition eingeführt habe, er habe sie sogar weniger rigoros eingesetzt als seine Vorgänger. Außerdem hielten die Mordbeschuldigungen einer genaueren Prüfung nicht mehr stand. – Im übrigen gilt der Umkehrschluss, dass nicht die Kirche Hauptprotagonist der Inqusition gewesen sei – sie ging vom Staat aus.
*) Der US-amerikanische (1907-1997) Schriftsteller, Pulitzer-Preisträger, schrieb mehrere historische Romane basierend auf historisch korrekten Informationen.