Über Calzadilla de la Cueza. Markierungsstein Carrion de los Condes: Via Aquitana: Burgos-Astorga. Tramo del Camino de Santiago Con su Trazado Original. – Via Aquitana *): Burgos-Astorga. Abschnitt des Jakobsweges mit seiner ursprünglichen Route.

Hier beginnt der vermeintlich so harte (heiße) Weg.
Beide Reiseführer übertreiben maßlos. Der eine spricht von einem der härtesten und spirituell aufregendsten Wege, der andere empfiehlt, eine zusätzliche Flasche Wasser dabei zu haben, auch wenn der Rucksack aus den Nähten platzen sollte. Ich weiß nicht, wann die Herren gegangen sind. Sehr wahrscheinlich hat man von irgendeinem Autor abgeschrieben.
*) Via Aquitana, Ableger der Via Domitia: Römerstraße erbaut um 118 vor Chr. von Gnaeus Domitius Ahenobardus) vom heutigen Narbonne (Narbo Martius) gen Spanien resp. ins Landesinnere Toulouse (Tolsoa) resp. Bordeaux (Burdigale)
Selbst bei größter Hitze ist diese Etappe gut zu schaffen, denn letzten Endes spielt sich das sogenannte Drama nur auf einigen wenigen Kilometern der in Rede stehenden Etappe, mitnichten auf den kompletten 17 km ab. Später mehr.
Morgens um halb sieben ist die Welt eben nicht in Ordnung.
Wir reihen uns ein, ungelogen, in Pilgermassen, vor, hinter uns auf dem Camino. Alle haben sich verrückt machen lassen. Am Vortag in Carrion de los Condes sprach der Engländer vom nomansland, „if you would see a skleton, it would be mine.“ Das grenzt schon an Hysterie. Und was das schlimmste ist, von Spirituaität ist nichts zu spüren, aber auch rein gar nichts. Das Geschnatter raubt einem die Sinne. Nicht nur die Frauen sind es, nein, am lautesten sind die Südländer. Wenn sie doch nur Paulo Coelho richtig gelesen hätten. Es ist fast so, als wollten die Wanderer die angebotene Stille, die Ruhe regelrecht bekämpfen, überlisten. Bloß nicht nachdenken, beobachten: Wiesen, rote Felder, flaches Land, schattenlose Straßen, Wege.
Elke läuft wie ein Uhrwerk, stoisch, ihr Jammern über die Füße nehme ich ihr nicht ab. Sie ist phantastisch — gut drauf. Das einzige Problem, das sich Elke vor allem heute stellt, ist, distinguiert ausgedrückt, der Toilettengang. Wo? Vor einem, hinter einem Menschen, kein Baum, kein Strauch. Glaubt es mir, eine Lösung gibt`s immer.

Der Inhaber der auf halben Weg nach Calzadilla de la Cueza gelegenen Bar El Oasi stellt keine Toilette zur Verfügung. Ein geschäftstüchtiger Mann, warum? Er nutzt die Situation aus. In den Orten kostet die Cola einsfuffzig, er nimmt drei Euro. Um halb elf ist der Spuk vorbei. Elke reibt, cremt sich ihre Füße ein.
Tatort: Hostal-Restaurant in Calzadilla de la Cueza.
Selbstverständlich besorge ich mir in der Bar den obligatorischen Stempel. Habe ich eigentlich schon gesagt, dass ich grundsätzlich dafür verantwortlich bin? Es ist wirklich noch zu früh hierzubleiben. Was sollen wir in diesem Kaff den ganzen Tag machen? Eine Hauptstraße, drei kleine Seitenstraßen. Elke stimmt schweren Herzens zu, Terradillos de los Templarios anzusteuern, weitere 10,1 km von dann insgesamt achtundzwanzig gelaufenen Kilometern. Ich kann es nur wiederholen: reife Leistung.

Terradillos de los Templarius. Albergue Los Templarius.
Mir reicht es, habe genug. Die Sonne brennt, es ist viertel nach eins. Elke möchte ein Doppelzimmer buchen. Die Albergue Los Templarios bietet es an. Fünfunddreißig Euro die Nacht, nur ein Mehr von rund 21 € für uns beide. Das ist machbar, vertretbar.
Tja, wie fast an jedem Tag, muss ich jetzt ran, die Wäsche machen. Hinterm Haus gibt`s ein großes Waschbecken, genügend Leinen sind gespannt. Die Wäsche wird schnell trocknen, es ist sehr windig und heiß jenseits der 30°.
Der Ort war früher im Besitz des Templerordens. In Terradillos gibt es noch eine zweite Herberge. Sie ist nach Jaques de Molay benannt, jenem Hochmeister des Ordens, der A.D. 1314 auf Geheiß des französischen Königs Phillip IV. auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden ist. Mehr zu den Templern werde ich im Rahmen der 25. Etappe nach Rabanal del Camino schreiben.
Wer das elent bawen wel, 13. Jahrhundert, Strophe 17
Der spitalmeister war eyn zornik man, der greulich hat dich herein gethan, daz nympt mich nimmer wunder, und werstu nit eyn welscher man, ich vergeb dir wie die teutschen hunde.
Wer das elent bawen wel, 13. Jahrhundert, Strophe 18
Und da is an den abent kam, die brüder wolten schlafen gan, der pilgram wollt schlafen alleine: Spitalmeister, lieber spitalmeister meyn ! Die pet sein nit gar reine.
In Ledigos, laut Outdoor 6,6 km von Terradillos entfernt,
kann man sehr gut die frühere Lebensweise nachempfinden: einfach, zumeist ärmlich in Lehmhäusern wohnen. Heute spielt sich alles in den Städten ab. Hier dagegen vollautomatisierte Landwirtschaft, also einerseits keine Tagelöhner mehr, andererseits bluten diese Dörfer aus.
Der Tag klingt mit einem Pilgermenü aus. Ich weiß nicht warum, als es ums Bezahlen geht, ich hatte Trinkgeld gegeben, bekomme ich von der Bedienung eine Flasche Aqua und einen Apfel gratis. Schöne Geste.












Zu den Fotos: Vorbei am alten Kloster San Zoilo. 948 als Klostergemeinde des hl. Johannes des Täufers erwähnt. Infolge der Translation der Reliquien der heiligen Felix und Zoilo aus Cordoba umbenannt. Zoilo entstammte einem römischen Adelsgeschlecht, konvertierte zum Christentum und wurde um 300 n. Chr. unter Kaiser Diokletian ermordet. Durch die besondere Lage am Camino kam das Kloster zu Wohlstand. Nach und nach verlor es (ehedem einer der wichtigsten Stützpunkte des franz. Cluny) seine Bedeutung. Der von Jesuiten 1851 übernommene Komplex (Priesterseminar) bestand bis 1958; bis 1992 weiterhin als als kleines Seminar der Diözese Palencia. Heute ist es ein Hotel.
Halb sieben. Eine Stunde bereits auf Achse + Alter Grenzstein + Calzadilla de la Cueza + Pilgerwegzeichen mitten auf dem Weg + Lehmbau + Albergue Los Templarius in Terradillos de los Templarius + Wandbemalung Albergue Jacques de Molay in Terradillos. Letzter Großmeister des Templerordens. Im Zuge der 25. Etappe von Astorga nach Rabanal del Camino gehe ich detailliert auf diesen Orden an. Bitte Webseite Reisebericht Westwärts anklicken und bis (fast) nach unten scrollen). – Einer Legende zufolge begruben die letzten Ordensangehörigen hier im 14. Jh. ein Huhn, das goldene Eier legte. Vor nicht langer Zeit wurden Reste einer mittelalterlichen Nekropole mit rund zweihundert Gräbern und Resten einer ehemaligen Siedlung gefunden.