Teresa beschreibt ihren mystischen Weg zu Gott, zu Jesus Christus: von der 1. Wohnung hin zur Vollendung in der 7. Wohnung. Ein sehr schwieriger Text in der Übersetzung von Fritz Vogelsang aus 1966. Mir liegt die 1979er-Ausgabe vor. Teresa von Avila. Die innere Burge. Diogenes Verlag, Zürich. Teresa hat diesen Text auf Veranlassung eines Beichtvaters und zur Unterweisung der Klosterschwestern verfasst. Spanien hat sich schon sehr früh, abweichend von dem von ihr gewählten Buchtitel „Castillo interior – Die innere Burg“, mehrheitlich auf den Titel „Die Wohnungen – Las Moradas“ fokussiert.
Die Verzückung der Heiligen Teresa von Avila. Kirche Santa Maria della Vittoria, Rom. Giovanni Lorenzo Bernini, zwischen 1645 und 1652. Quelle: commons.wikimedia (29.06.24)
Teresa beschreibt diese Situation in ihrer Autobiographie: „Unmittelbar neben mir sah ich einen Engel in vollkommener körperlicher Gestalt. Der Engel war eher klein als groß, sehr schön, und sein Antlitz leuchtete in solchem Glanz, daß er zu jenen Engeln gehören mußte, die ganz vom Feuer göttlicher Liebe durchleuchtet sind; es müssen jene sein, die man Seraphe nennt. In der Hand des Engels sah ich einen langen goldenen Pfeil mit Feuer an der Spitze. Es schien mir, als stieße er ihn mehrmals in mein Herz, ich fühlte, wie das Eisen mein Innerstes durchdrang, und als er ihn herauszog, war mir, als nähme er mein Herz mit, und ich blieb erfüllt von flammender Liebe zu Gott.
Der Schmerz war so stark, daß ich klagend aufschrie. Doch zugleich empfand ich eine so unendliche Süße, daß ich dem Schmerz ewige Dauer wünschte. Es war nicht körperlicher, sondern seelischer Schmerz, trotzdem er bis zu einem gewissen Grade auch auf den Körper gewirkt hat; süßeste Liebkosung, die der Seele von Gott werden kann. Quelle: Wikipedia, 29.06.24
Nichtwohlmeinende Betrachter und Kunsthistoriker vermuten natürlich allzu Weltliches (eingebettet in ihrer eigenen Denkwelt, Blase), nämlich eine hysterische Ohnmacht, erotisches Verlangen, Algolagnie (Wollust, Schmerz). Sie können sich halt absolut nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die eine übernatürliche Liebe zu Jesus Christus empfinden, und nicht an Sex.
Teresa de Jesus spricht immer wieder von der richtig verstandenen Demut – dem Herrn gegenüber. Keine Kriecherei. Demut nach Teresa ist nichts anderes als in der Wahrheit wandeln, sich am Willen Gottes ausrichten. Sie zielt auf das Gebet der Ruhe, in der Stille, egal ob die Gedanken abschweifen. Die Gnade Gottes wird helfen. Im folgenden zitiere ich Passagen des oben bezeichneten Buches, gebe zumeist die betreffende Buchseite an.
Zum Einstieg
„Inneres Gebet ist nichts anderes, als verweilen beim Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“ (Leben 8,5)
„Lasst uns die Augen auf Christus richten, wo wir die wahre Demut erfassen (…) dann wird unsere Selbsterkenntnis davor bewahrt werden, zur Kriecherei und Feigheit zu entarten“ (1. Wohnung 2,11)
Die erste Wohnung
Teresa schreibt, inspiriert vom heiligen Geist. Museum in Alba de Tormes, Spanien, 17. Jahrhundert. Quelle: Joachim Schäfer, Heiligenlexikon, 25.07.24
Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild. Wo Gott eine Wohnstatt hat. Die Seele, groß und schön; schwerlich mit Einsicht und Verstand zu begreifen. Teresa möchte dem Herrn nahe kommen. Worte allein vermögen es nicht auszudrücken. Teresa gelingt ein genialer Kunstgriff, indem sie die Schwestern ihres Konventes und die Leser bittet, mit ihr zusammen die Seele als eine Burg zu betrachten – mit vielen Wohnungen.
Zitat S. 13, gerichtet an ihre Mitschwestern: „Ihr dürft euch nicht vorstellen, dass diese Wohnungen wie aufgereiht eine hinter der anderen liegen. Richtet vielmehr eure Augen auf die Mitte, die das Gemach und der Palast ist, wo der König weilt, und stellt die Burg euch vor wie eine Zwergpalme, bei der viele Hüllen das köstliche Herzblatt umschließen. So liegen dort rings um diesen Raum viele andere Gemächer, und ebenso darüber. Denn die Dinge der Seele muss man sich immer in Fülle und Weite und Größe denken …“
Das Gebet und die Andacht sind das Tor, durch das man die Burg betreten kann. Teresa meint das mündliche Gebet wie das im Geiste. Beide Gebetsformen bedürfen der Ehrfurcht und Andacht. Wenn man nicht darauf achtet, mit wem man redet und was man erbittet, wer der Bittsteller, wer der Angeflehte ist, das nennt sie kein Gebet, mag man dabei noch so viel die Lippen bewegen. Wer mit Gott nicht ehrfurchtsvoll spricht, daher schwatzt, was ihm in den Mund kommt und was er von früher auswendig weiß, so hält Teresa das für kein Gebet. Sie richtet sich nicht, wie sie es formuliert, an diese lahmen Seelen, die tief in der Welt stecken, es sei denn, der Herr selbst wird tätig und ruft diese lahmen Seelen. Teresa richtet sich an die Seelen, an die Menschen, die wachsam geworden sind, erkannt haben, dass ihr (unrechter) Weg sie nicht auf die Burgpforte hin führt.
S. 32: Lasst uns die Augen auf Christus richten, unser Heil, wo wir die wahre Demut erfassen, und lasst uns auf seine Heiligen schauen. S. 33: Ihr werdet gewahren, dass in diese erste Wohnung noch beinahe nichts von jenem Lichte dringt, das von dem Palast ausgeht, wo der König weilt (…) Der Raum ist hell, aber die Seele genießt es es nicht, weil dieses wilde Getier (sie meint böse Wesen) sie daran hindert. (…) So muss es wohl meines Erachtens einer Seele gehen, die zwar nicht nicht böse lebt, aber doch so tief in den Dingen der Welt steckt, sich so voll gesogen hat mit Besitz oder Ehre oder Geschäften, dass sie, obwohl sie wirklich den Wunsch hat, sich zu sehen und ihrer eigenen Schönheit sich zu erfreuen, der Umgarnung durch so viel Hinderliches anscheinend nicht entschlüpfen kann.“
Um in die zweite Wohnung zu gelangen zu können, sei es sehr wichtig, dass man sich bemühe, sich aller unnötigen Dinge und Gechäfte zu entledigen. Immer wieder bringt Teresa den Satan ins Gespräch. Auch die Priorin sei vor ihm nicht gefeit. So sei in jedem Fall zu prüfen, ob das Verlangen nach Buße, nach Bußübungen, echten Motiven Stand hält. Es bedürfe vieler Klugheit.
Die zweite Wohnung
S. 37 folgende. Welche Seelen sind es nun, die in die zweiten Wohnung kommen. Es geht um die diejenigen, die schon begonnen hätten, das Gebet zu üben, und die begriffen haben, wie wichtig es für sie sei, nicht in der ersten Wohnung zu verweilen. Sie hätten noch keine rechte Entschlußkraft, geben die Gelegenheiten zum Bösen noch nicht auf. Das sei gefährlich. Jedoch, „Gott, seine Majestät, ist geduldig genug, viele Tage und Jahre zu warten, besonders wenn er Beharrlichkeit und guten Willen sieht. Doch die Schlacht, welche die Dämonen uns hier mit tausenderlei Waffen liefern, ist entsetzlich und schmerzlicher für die Seele als alles zuvor; denn damals war sie stumme und taube, zumindest hörte sie wenig, leistete weniger Widerstand.“
S. 38.39. Hier würde die Vernunft überwiegen, die Geisteskräfte sind wendiger. „O Jesus, welchen Tumult erregen da die Dämonen, und welche Qual befällt die arme Seele, die nicht weiß, ob sie weitergehen oder in die erste Wohnung zurückweichen soll. Die Vernunft freilich deckt ihr die Täuschung auf und gibt ihr den Gedanken ein, dass all dies belanglos ist, verglichen mit dem, wonach sie strebt. Der Glaube lehrt sie, was ihre Pflicht ist. Das Gedächtnis macht ihr klar, wie all diese Dinge enden, indem es ihr den Tod solcher Menschen vor Augen führt…“ – Sodann ruft Teresa Gottes Hilfe an, die Hilfe des Herrn, die Hilfe Christus. Bemüht das Alte und Neue Testament, wenn sie schreibt: „Man glaube ja nicht, dass es zu Beginn irgendwelche Annehmlichkeiten gebe. (…) Baut man auf Sand, so wird alles einstürzen. (…) Denn hier sind noch nicht die Wohnungen, wo es Manna regnet. Die liegen weiter innen.“
Teresa gelingt es, ihren Schwestern und den Lesern, immer wieder Mut zuzusprechen nach dem Motto, verzagt nicht, auch wenn man fallen sollte, Gott hilft. Jesus habe seine Jünger zum Frieden ermahnt. So sollten auch die Schwestern endlich mit dem Streiten aufhören. Sie ruft zum sich Sammeln auf, mit Sanftheit, das fördere größere Beständigkeit. Der Herr werde alles zum Nutzen lenken. Anmerkungen: Ein starker Satz. „Wo ist Gott“?, fragte ein Jude seinen Mithäftling in Auschwitz. Der Angesprochene zeigt auf einen Mithäftling, der vorübergeht, vergast zu werden: „Da ist Gott“! Meine Hochachtung, wer diese Gottvertrauen spürt. Vor Jahren gehört von einem Rabbiner anläßlich einer Veranstaltung in einer Synagoge.
S. 44. Zum Schluss entkräftet Teresa noch einmal, sie wiederholt sich ohnehin ganz bewußt, den möglichen Einwand mancher Schwestern, es wäre wohl besser gewesen, gar nicht erst versucht zu haben, in die Burg zu gelingen. „Ich sagte es euch schon am Anfang – und der Herr selber sagt es -, dass der, welcher sich in Gefahr begibt, darin umkommt und dass das Tor, durch welches man in die Burg eintritt, das Gebet ist. Der Gedanke, wir würden in den Himmel kommen, ohne in uns zu gehen, ohne uns selber zu erkennen, unser Elend zu bedenken, unsere Schuld vor Gott, und ohne ihn vielmals um Erbarmen zu bitten, ist töricht und widersinnig. Der Herr selber sagt: Niemand kommt zum Vater denn durch mich. Wer mich sieht, der sieht meinen Vater.“ Sie schließt mit dem Anspruch, „dass wir Werke schaffen müssen, um uns in seiner Herrlichkeit zu erfreuen, und dass es nötig ist zu beten, damit wir nicht immer in der Versuchung sind.“
Anmerkung: Heute herrscht – in Verkennung Jesu Worte – vielerorts bei Christen die Meinung vor, Katholiken inklusive, also auch und gerade bei Geistlichen und Theologen-Professoren, dass jeder Mensch in den Himmel käme, unabhängig von seinem Leben: Gott liebe ja jeden Menschen, und eine Hölle gäbe es sowieso nicht.
Ja, die Evangelien manifestieren mit aller Deutlichkeit, dass Gott die Liebe ist, gehen aber durchaus auf den Anspruch Jesu Christi ein, dass jeder Mensch ein gottgefälliges Leben führen solle. Nicht umsonst hat Jesus die Apostel mit der Vollmacht ausgestattet, Menschen ihre Sünden zu vergeben oder eben auch nicht. Dazu u.a. Johannes 20,23: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“
Die dritte Wohnung
Zwischenbemerkung. Ich kann mir gut vorstellen, dass selbst der frömmste, wohlmeinendste Christ sich von Teresa überfordert fühlt, von ihren Ansprüchen. Ich denke, wie wir alle Jesu-Bergpredigt (Mt 5-7) nicht vollends gerecht werden können, sollten wir aber alles Erdenklichmögliche tun, ihm und seinen Seligpreisungen nahe zu kommen. Versuchen wir also, uns in Teresa hineinzuversetzen, nicht einfach die „Sache“ damit abtun, wir seien moderne Menschen, 500 Jahre später und überhaupt … Nein.
Teresa bringt auf S. 46 zum Ausdruck, dass sie alles nur unter Tränen und großen Verwirrungen schreibe, sie gehe davon aus, dass sie für Menschen schreibe, die sie selbst, also Teresa, an sich belehren könnten. Dennoch zu schreiben, sei ihr aber eine harte Gehorsamspflicht gewesen. Auf S. 49 fährt sie fort, ihre Mitschwestern sollten sich nicht in Sicherheit wähnen, weil sie immer von Gott redeten, sie ständig sich im Gebet übten, „so fern von den weltlichen Dingen lebt und sie – wie ihr meint – verschmäht. Das ist alles gut, doch es genügt nicht, um uns von der Angst zu befreien; und darum ruft euch oft diesen Vers in Erinnerung: >Beatus vir, qui timet Dominuim<“ : Selig, der Mensch, der den Herrn fürchtet.
S. 49. „Fordert nicht, was ihr nicht verdient habt; und es sollte uns nicht in den Sinn kommen, soviel wir auch dienen mögen, dass wir dessen jemals würdig sein könnten – wir, die wir Gott beleidigt haben. O Demut, Demut!“ Weiter im Text spricht sie die Liebe zu Gott an: „Und diese Liebe darf nicht das Werk unserer Einbildung sein, sondern sie muss durch Taten erwiesen werden. Denkt aber nicht, dass der Herr unserer Werke bedarf; er braucht die Entschlossenheit unseres Willens.“
Zweites Kapitel 3. Wohnung
S. 53. „Und glaubt mir, dass es nicht darauf ankommt, ob man ein geistliches Gewand trägt oder nicht, sondern darauf, dass man danach trachtet, die Tugenden tätig zu üben und unseren Willen dem Willen Gottes in allem anheimzugeben (..) und dass wir nicht wünschen, das unser Wille, sondern dass sein Wille geschehe.“ – S. 55. „Hart lastet auf uns die Erde unseres Elends, von der jene nicht mehr bedrückt werden, die zu den höheren Gemächern emporsteigen.“
S. 57. „Und auch für Menschen, die nicht dem geistlichen Stand angehören, wäre es sehr wichtig, jemanden zu haben, bei dem man sich Weisung holen kann (wie es viele Personen tun), um in nichts nach dem eigenen Willen zu handeln; denn darin liegt die Ursache unseres Schadens.“
Meine Anmerkung. Hier bringt Teresa ein wichtiges Thema zur Sprache, dass uns angeht. Warum sollte auch der Gläubige von heute sich nicht um einen Beichtvater bemühen, mit dem er – außerhalb der normalen Beichte – seine Lebensentwürfe erörtert resp. um Hilfe in konkreten Situationen bitten kann? Bitte beachtet: Fast jeder später heiliggesprochene Christ hatte zu Lebzeiten einen Beichtvater; Teresa zum Beispiel Johannes vom Kreuz.
S. 58. „Schauen wir auf unsere eigenen Fehler und lassen wir die fremden.“
Intermezzo Papst Benedikt XVI.
„Schweigen und Kontemplation haben ein Ziel: Sie dienen dazu, in der Zerstreuung des täglichen Lebens eine ständige Einheit mit Gott zu bewahren. Das ist das Ziel: dass in unserem Herzen immer die Einheit mit Gott gegenwärtig ist und unser ganzes Sein verwandelt.“ – Quelle: www.benedictusXVI.org. Benedikt-Impuls für den Tag (20. Juli 2024): Aus Predigt vom 6. Oktober 2006.
Die vierte Wohnung
Zusammenfassung. Das Gebet der Ruhe ist nur durch Gnade rezeptiv erfahrbar, mit Durchgangsphasen.
S. 59: (…) „denn hier (in der vierten Wohnung) fangen die übernatürlichen Dinge an, und es ist höchst schwierig, sie begreiflich zu machen, falls nicht seine Majestät es tut“.
„Da diese Wohnung dem Orte näher ist, wo der König weilt, ist ihre Schönheit groß, und es gibt dort so feine Dinge zu sehen und zu verstehen, dass der Verstand sich nicht auszudenken vermag, wie man mit Worten es ausdrücken könnte“ (…)
„ (…); denn der Herr gibt seine Güter, wann er will und wie er will und wem er will. Das bedeutet für niemanden eine Kränkung.“
Meine Anmerkungen: Dieses bekannte Diktum ist so leicht nicht zu verstehen. Man kann es vielleicht so erklären: Wir sollten uns niemals mit Gott selbst vergleichen, ihn auf unsere Ebene herunterholen, ihm zu bedeuten, wann er für uns gefälligst tätig sein solle. So geht das nicht. Der Herrgott wird zur rechten Zeit handeln. Es kann auch Jahre dauern. – Pfr. Richard Kocher von Radio Horeb drückte es einmal so aus (Juli 2024): Schon seit ungefähr vier oder fünf Generationen gäbe es die sogenannten „Konsum-Christen“, die je nach situativer persönlicher Lage nach Gott riefen, je nach Lage glaubten; alles sie Störende ansonsten abstreiften.
Dieses Diktum, diese Analyse, ist beiweitem nicht neu, denn schon Ende der Fünfziger des 20. Jahrhunderts mit anderen Worten von Joseph Ratzinger (Papst Benedikt XVI.) formuliert. Damals wurde er nicht ernstgenommen. Warum? Die Kirchen waren voll, aber; und das hatte der damalige Münchener Pfarreikaplan schon nach kurzer Zeit im Amt festgestellt: die Gläubigen gingen routinemäßig zum sonntäglichen Gottesdienst, teils ohne innere Überzeugung, nicht in der Lage, ihren Glauben nach außen substantiell zu vertreten. Katechese war also gefragt, die er dann auch und gerade als Papst „durchzog.“
S. 61. Teresa geht wieder einmal auf den Unterschied von Freuden und Wonnen ein: „Kurz und gut: die Befriedigungen oder Freuden im Gebet beginnen in unserer eigenen Natur und enden in Gott; die Wonnen dagegen beginnen in Gott, und die Natur empfindet sie und genießt sie genauso sehr wie Freuden, ja noch viel mehr.“
S. 62. „Darum tut das, was am meisten Liebe in euch erweckt. Vielleicht wissen wir aber gar nicht, was Lieben ist. Das würde mich nicht sehr wundern; denn es besteht nicht in dem größeren Genuss, sondern in der größeren Entschlossenheit, Gott in allem erfreuen zu wollen, sich mit allen Kräften darum zu bemühen, dass wir ihn nicht beleidigen, und ihn bitten, dass die Ehre und der Ruhm seines Sohnes sowie das Wachstum der katholischen Kirche stets Vorrang vor allen anderen habe. Das sind Zeichen der Liebe.“
Anmerkungen: Dazu (Wachstum der katholischen Kirche) muss man wissen, dass zur Zeit der Teresa Martin Luthers Thesen unter das Volk gebracht worden waren. Neben Ignatius von Loyola bemühte sich Teresa von Avila gegenzusteuern; und das gelang ihr auch. Spanien blieb weitestgehend vom Protestantismus verschont, größere Teile Zentraleuropas konnten re-katholisiert werden – dank Petrus Canisius wie der Jesuiten schlechthin.
2. Kapitel
S. 70. „Der Wille – so scheint mir – muss wohl in gewisser Weise mit Gottes Willen vereint sein. Doch an den Wirkungen und Werken, welche die Folge davon sind, erkennt man die Wahrheiten des Gebets. Es gibt keinen besseren Prüfstand. Sehr groß ist die Gnade unseres Herrn, wenn derjenige, welcher sie empfängt, sie auch erkennt, und ein Zeichen großer Gunst ist es, wenn die Seele nicht wieder zurückgeht.“
Anmerkung: Teresa nimmt, bewusst oder unbewusst, Martin Luthers Gnadenlehre / Rechtfertigung aufs Korn. Für Luther ist allein die Gnade Gottes entscheidend, Teresa hingegen schließt sich vorbehaltlos der Lehre der katholischen Kirche an: Werke + Gnade resp. Gnade + Werke: eines von beiden allein machte keinen Sinn. Hier gibt es absolut keinen Dissens mit der Lehre von Paulus resp. Jakobus; letzterer thematisiert ja bekanntlich sehr stark die Werke. Nicht umsonst hat Luther dem Jakobusbrief wenig Bedeutung beigemessen.
Und dennoch stärkt sie im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen Gottes Gnade, wenn sie an ihre Mitschwestern appelliert, Gott ohne Eigennutz zu lieben, nicht anzunehmen, durch „unsere erbärmlichen Dienste etwas so Großes zu erben“ – sie meint Gottes Gnade und Wonnen allein durch Werke beeinflussen zu wollen. Nein, Demut ist angesagt.
S 71. „Wir mögen uns noch sehr der Meditation hingeben, bis zur Erschöpfung darum ringen und noch so viele Tränen vergießen, so fließt dieses Wasser (Anm.: gemeint ist Gottes Gnade. Sie bemüht dafür auf S. 67 das Beispiel mit den zwei Brunnenbecken, die unterschiedlich schnell befüllt werden) doch nicht hervor. Es wird nur dem geschenkt, dem Gott es geben will, und oft gerade dann, wenn die Seele am wenigstens daran denkt.“
Das klingt zunächst einmal wirkürlich und wenig barmherzig, aber nur vordergründig. Teresa geht fest davon aus, dass Gott demjenigen seine Gnade nicht vorenthalten wird, der sich wirklich von allen profanen Wünschen freimacht. Sie endet dieses 2. Kapitel (S. 71) mit den Worten: „Er sei gelobt und gepriesen in Ewigkeit, Amen.“
3. Kapitel
S. 71ff. Die innere Gebets-Sammlung, die für Teresa übernatürlich zu sein scheint. Ja, man könne sich bemühen, Gott im eigenen Inneren zu denken oder mittels Einbildungskraft, indem man sich Gott in uns ausmalt. Für Teresa eine hilfreiche Form der Meditation. Doch das meint sie – hier – nicht. Diese Art der Meditation, Gottes Beistand vorausgesetzt, könne jeder. Sie meint anderes. Während Tiere wie Igel und Schildkröte sich in sich zurückziehen können, wann immer sie es wollen, sei das bei den Menschen nicht so. Der von ihr gewünschte Zustand, innere Gebets-Sammlung, träte nur mit Gottes Gnade ein.
Jetzt, auf S. 73, folgt, so bewerte ich es, ein Satz, der es in sich hat, ich zitiere: „Und ich habe den Eindruck, als ließe seine Majestät (Anm.: Gott), wenn Er es tut, es solche Menschen erfahren, die sich schon angeschickt haben, den Dingen der Welt den Abschied zu geben.“ Auch diejenigen Menschen, die, bezögen wir es auf heute, die nicht in einem Kloster leben, könnten miteinbezogen sein. „Ihre Sehnsucht danach ist es, was den Herrn veranlaßt, sie eigens zu rufen, damit sie auf die inneren Dinge achten.“ Und weiter: „Und darum glaube ich, dass seine Majestät, wenn wir Ihn nur tun lassen, demjenigen, den Er einmal zum Höheren gelockt hat, nicht nur dies zum Geschenk machen wird.“
Anmerkungen: Je mehr ich über diese Sätze nachdenke, je mehr beschleicht mich die rhetorische Frage, warum wohl so viele katholische Theologen, Bischöfe inklusive, fast schon um jeden Preis sich mit Luthers Rechtfertigungslehre anfreunden wollten und nach wie vor wollen, mir wiederum völlig unverständlich: Glauben ohne Taten, ohne Caritas, ohne sich selbst einbringen; nur auf Gottes Gnade warten, ggfs. bis zum nahen Tod. Luther nannte den Brief des Jakobus, in dem die Rechtfertigung aufgrund der Werke gelehrt wird, einen „recht stroehernen Epistel“. – Jakobus hat dazu dezidiert Stellung genommen im Abschnitt 2,18 – 2,22. 2,20: „Willst du also einsehen, du
unvernünftiger Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist?“ Später mehr.
S. 74/75. Sodann setzt sich die Heilige mit dem Phänomen auseinander, wie dem Denken (an falscher Stelle) Einhalt geboten werden könne, ohne dass diese uns mehr schade als nütze. Bis auf den heiligen Bruder Pedro de Alcantara (sie nennt ihn heilig, weil sie glaubt, er sei wirklich heilig, als Lebender wohlgemerkt), habe sie bis dato von niemandem gehört oder gelesen, wie das Phänomen zu lösen sei. Ihm wolle sie sich beugen und las sein Buch. Sie fühlte sich bestätigt, da Pedro mit anderen Worten ihre Empfindungen wiedergegeben habe. Zunächst müsse also die Liebe erwacht sein.
In diesem Werk des Geistes gäbe es mehrere Gründe des Gelingens: 1. Derjenige tät am meisten, „der am wenigsten zu tun denkt und tun will.“ Schwierig. Wie gehabt, gibt sie genügend Beispiele des Gelingens. Sich allzu sehr zwingen und anstrengen, nicht zu denken, sei kontraproduktiv. Wichtig scheint mir ihre Konklusion zu sein, wonach Gott wolle, dass wir ihn bitten, obwohl er wüßte, was auf uns zukäme. – 2. „Wir sollten die Seele den Händen Gottes überlassen – mag er mit ihr machen, was er will, so sorglos und unbekümmert um ihren Vorteil, wie wir nur immer sein können, und völlig ergeben in den Willen Gottes.“ – 3. „Der dritte Grund ist, dass gerade die Sorge, die man darauf verwendet, nichts zu denken, vielleicht den Verstand dazu anregt, viel zu denken.“ – 4. Hier geht es ihr darum, sich gewiss zu sein, sich an das Wichtigste und Erfreulichste zu erinnern, nämlich an Gottes Ehre und Herrlichkeit, sich an seiner sichtbaren Glorie erfreuen. „Wenn seine Majestät will, dass der Verstand von seinem tun ablässt, so beansprucht er ihn auf andere Weise und schenkt der Erkenntnis eine Erleuchtung, die so erhaben ist über das, was wir von uns aus zu erreichen vermögen, dass der Verstand hingerissen verharrt.“ – Anm.: damit scheint mir auch der 3. Punkt gut begründet zu sein.
S. 76. Für Teresa ist der rechte Gebrauch des Verstandes wichtig. Die Seele, die der Herr in diese Wohnung eingelassen hat, solle den Verstand ohne jede Gewalt und ohne Lärm des Hin- und Herschweifens zügeln, ohne das Denken und den Verstand deshalb außer Kraft zu setzen. Ein wahrhaft großes Unterfangen, denke ich. Der Verstand solle sich bewußt sein, dass er vor Gott stehe, und sich das Wesen dieses Gottes vergegenwärtigen. Er möge nicht danach trachten, zu verstehen, was dies ist, denn dem Willen wurde dies geschenkt. Lass` es genießen. Die Meditation nicht aufgeben, obwohl der Verstand nicht verstehen könne, was er verstehen möchte. Er solle die Gedanken und sich selbst den Armen der Liebe anvertrauen.
S. 77. Teresa geht gleichermaßen auf die Bußübungen ein. Manche, die glaubten, dadurch ihre Gesundheit zu verlieren, würden nun erkennen, dass sie nunmehr in Gott alles vollbringen könnten, gar mehr danach verlangten, mehr Leiden also. – Anm.: Auch Papst Johannes Paul II. war ein Freund der Bußübungen; er soll sich entsprechende Leiden zugefügt haben. Nicht umsonst ist der heiliggesprochene Papst Verehrer der hl. Teresa.
Die Seele wird in dem Zustand, in der sie sich jetzt befindet, die Wonnen Gottes also gekostet haben, mehr und mehr erkennen, dass die Freude der Welt nur Kehricht sind. Immer mehr entzieht sie sich diesen und erlangt immer stärker Herrschaft über sich selbst, die sie dazu befähigt. In allen Tugenden ist sie gestärkt und wird weiterhin wachsen.
Sie rät denjenigen, die sich auf dieser Stufe befänden, sich nicht nur ansatzweise irgendwelchen Gelegenheiten auszusetzen, wo sie Gott beleidigen könnten; denn immer noch sei die Seele nicht erwachsen, sondern wie ein an der Mutterbrust saugendes Kind. Der Satan könne noch Schaden stiften. Körperliche Schwäche dürfe nicht zu geistiger Schwäche führen. Spüre man derartiges, solle man das Gespräch suchen, mit der Oberin oder, auf heute bezogen, mit dem selbst gewählten Beichtvater. Auch die Phantasie solle man zügeln dem Sinne nach, dass man – fälschlicherweise – zu sehen glaube, was man denke. Das sei recht gefährlich. Sie werde später darauf zurückkommen.
Teresa begründet zum Schluss ihrer Abhandlung zur vierten Wohnung, weshalb sie sich so lange hierin aufgehalten habe. Nach ihrem Eindruck würden die meisten Seelen hierin gelangen, und weil der Satan hier, wo das Natürliche und das Übernatürliche dicht beieinander sind, mehr Schaden stiften als in den nächsten, noch nicht geschilderten Wohnungen, wo Gott ihm nicht soviel Spielraum läßt. Der Herr sei gelobt in Ewigkeit, Amen.
Demnächst geht es weiter mit der 5. Wohnung: Analyse Selbsterkenntnis, einfache Vereinigung mit Gott in der innersten Seele, etc.
„Man hat das deutliche Gefühl, als werde man sanft in das Innere zurückgezogen.“
- „Stellen wir uns vor, um es besser zu erfassen, zwei Brunnenbecken, die sich mit Wasser füllen (…).
- Diese zwei Brunnenbecken nun füllen sich auf verschiedene Weise. Bei dem einen kommt das Wasser von weither durch viele Röhren und mittels kunstvoller Vorrichtungen, das andere aber ist unmittelbar dort erbaut, wo das Wasser entspringt, und es füllt sich völlig lautlos.“