Papst Calixtus II. Promoter des Camino de Santiago im 12. Jahrhundert. Erster Pilgerführer. Wormser Konkordat                              

Namensgeber des ersten lateinischen Pilgerführers Codex Calixtinus resp. Liber Sancti Jacobi. Foto: Galerie der Päpste. St. Paul vor den Toren, Rom.

Liber Sancti Jacobi. Codex Calixtinus

Die um 1141 n. Chr. publizierte Handschrift wurde anfangs schlicht und einfach „Iakobus“ genannt. Erst die spätere Forschung machte daraus den Liber Sancti Jacobi, das Buch des Heiligen Jakobus. Mit Blick auf den vermuteten Autor Papst Calixtus II. auch als Codex Calixtinus benannt.

Dieses Dokument, genauer gesagt das Buch V. des Codex, der Pilgerführer, hat den entscheidenden Einfluss auf die Pilgerschaft nach Santiago de Compostela genommen. Fachleute sprechen vom ältesten in Latein verfassten touristischen Pilgerführer Europas.

Codex Calixtinus (Liber Sancti Jacobi), um 1130/1140. Santiago de Compostela.

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Der Liber Sancti Jacobi wird von Historikern und Wissenschaftlern als ein Juwel der mittelalterlichen Literatur bezeichnet und behandelt. Allein dadurch, dass Papst Calixtus II. (1119 – 1124) lange Zeit als Urheber und Verfasser des Codex` galt, führte den Camino de Santiago zur vollen Blüte. Hunderttausende pilgerten fortan gen Compostell, in manchen Jahren soll es bis zu einer Million Menschen gewesen sein.

Sidestep: Heute beklagen wir uns darüber, wenn hunderttausende Pilger auf dem Weg sind. Einige Wissenschaftler vermuten, dass sein Sekretär Aymeric Picaud, ein französischer Gelehrter und Geistlicher, den Codex Mitte des 12. Jahrhunderts zusammengestellt habe. Aymericus (oder Haimerich) war päpstlicher Kanzler.

Manuel C. Diaz y Diaz kommt in dem von Paolo Caucci von Saucken 1993 herausgegeben Bildband „Santiago de Compostela – Pilgerwege“ zu folgender Überlegung: Auch bedingt durch die immensen Pilgerscharen sei eine ganze Glaubenslehre zur Verherrlichung des Apostels Jakobus entstanden. Man verglich sich mit Rom.

Bischof Diego Gelmirez,

Bischof Diego Gelmirez, mit engen Beziehungen zum burgundischen Herrrscherhaus ausgestattet, 1100 zum Bischof von Compostela ernannt, ging sobald daran, das Ansehen des Bistums zu erhöhen. Es wurde dann folgerichtig 1120/24 zum Erzbistum aufgewertet.

Bischof Diego Gelmirez und Alfons VII. von Leon. Tumbo de Toxosoutos, 13. Jh. Das Tombo de Toxos Outos ist eine Zusammenstellung der Mönche des  Klosters San Justo de Toxos Outos um 1289, als Sancho Eanes Abt war, in Bezug auf ihre Besitztümer. Derzeit befindet sich die Dokumentation des Grabes im 
National Historical Archive . 

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Jahre später in 1130 beauftragte der Erzbischof einen kundigen Priester / Archivar mit der Zusammenstellung eines großen Buches zwecks theologischer Unterfütterung des Camino de Santiago, das alle Daten und Informationen über den heiligen Jakobus enthalten sollte.

So entstanden nach und nach die einzelnen unten beschriebenen Bücher. Gelmirez legte gleichermaßen großen Wert auf die Implementierung religiöser, liturgischer Messbuchtexte, bezogen auf die beiden Festtage des Heiligen. 25. Juli: Gedenktag der römischen Kirche: Martyrium und Tod in Jerusalem und 30. Dezember: Gedenktag der spanischen Kirche: Translation / Überführung des Leichnams von Jerusalem an die Westküste des heutigen  Spaniens. 

Im Verlauf des gesamten Geschehens spielten darüber hinaus mehrere überregionale Protagonisten eine wichtige Rolle: die der französischen Abtei von Cluny, die des Vatikan wie Papst Calixtinus II. und Papst Innozenz II. Letzterer garantierte mit einer um 1141 erlassenen Bulle (angeblich eine Fälschung) einen im Codex enthaltenen zusätzlichen Text und bezog sich dabei explizit auf die Gesamtausgabe des Codex Calixtinus.  Oben erwähnter Americ Picaud von Parthenay/Vezelay soll den von weiteren Persönlichkeiten des päpstlichen Hofes beglaubigten Codex Calixtinus in die Kathedrale von Compostela verbracht haben. So schließt sich also der Kreis für jene, die an der Urheberschaft dieses französischen Gelehrten und Klerikers festhalten. Im 14. Jahrhundert ließ der Generalsuperior der Erzdiözese, Don Berenguer de Landoria, eine genaue Kopie des Liber Sancti Jacobi erstellen; heute aufbewahrt in der Universität von Salamanca. Zwei weitere excellente Abschriften befinden sich im Vatikan und in London.

Das in der Kathedrale von Santiago de Compostela befindliche einzig noch erhaltene Manuskript des Codex Calixtinus, nicht zu verwechseln mit dem später daraus gemachten Liber Sancti Jacobi (ergänzt u. a. mit Dekorativem und weiteren Geschichten, etc.), war Anfang  Juli 2011 von einem dort beschäftigten Elektriker gestohlen worden. Ein Politikum, das hohe Wellen schlug. Zwölf Monate später entdeckte man das Buch unbeschädigt in seiner Garage.

Das Jakobusbuch. Liber Sancti Jacobi

Bildband Cocice Calixtino en los Camnos a Santiago. Autor Candido Paros Lopez, 2014. Erworben 12. 2024 im Buchladen Kathedrale SdC. Mit einem Vorwort von Erzbischof Julian Barrio Barrio.

Beschreibung der Etappen (verschiedene Sprachen inkl. Deutsch) des Camino Frances von O Cebreiro bis Santiago. Cebreiro -Triacastela (22 km) – Sarria (oder Samos): 19-24 km – Portomarin (23 km) – Palas de Rei (22 km) – Arzua (27 km) – O Pino (21 km) – Santiago de Compostela: 19 km.

Der Codex Calixtinus beginnt mit dem Einleitungsbrief des seligen Papstes Calixtinus II. u.a. an den ehrwürdigen Konvent der Basilika von Cluny,  an die berühmten Herren Wilhelm, Patriarch von Jerusalem, an Didacus, Erzbischof von Compostela und alle rechtgläubigen Christen. Im weiteren Verlauf behandelt der Autor diverse Jakobus und den Pilgerweg tangierende Themen, nennt die Habgier in der Welt, gibt Hinweise auf die Echtheit des Codex Iacobus, zitiert Predigten, geht auf liturgische Texte und Stundengebete ein. Im Fokus steht die lange Predigt des Papstes Veneranda dies (Der ehrwürdige Tag) zu Ehren des heiligen Jakobus; vgl. Extra-Beitrag.

Die Predigt wurde gehalten zum 30. Dezember, dem Tag des Translationsfestes. Der Tag der Überführung der Gebeine wird auch heute noch gefeiert; die Hauptfeierlichkeiten hingegen werden jeweils am 25. Juli, dem Gedenktag des Heiligen, zelebriert. 

Der Verfasser schildert die Translation des Apostels nach Galicien, verwirft seiner Meinung nach falsche Berichte hierüber; er geht auf die Pilgerscharen ein, die nach Compostell eilen, mehr als 70 Völker *) sollen es sein; er beschreibt die Ausstattung des Pilgers mit Stab und geweihter Pilgertasche und  die damit verbundene Bedeutung nebst der Gebete und nicht zuletzt geht er auf die Symbolik der Jakobsmuschel ein. Mit der Pilgertasche werde die Freigebigkeit in Almosen und die Abtötung des Fleisches versinnbildlicht. Der Stab als quasi dritter Fuß symbolisiere den Glauben an die Heilige Dreifaltigkeit. 

*) 70 Völker: Mittelalterliche Namen: „Illuc populi barbari et domestici cunctorum cosmi climatum adveniunt, scilicet Franci, Normanni, Scoti, Hiri, Galli, Theutonici, Yberi, Wasconi, Baioari, Navarri impii, Bascli, Gotti, Provinciales, Garasqui, Lotharingi, Gauti, Angli, Britones, Cornubienses, Flandri, Frisi, Allobroges, Itali, Apuli, Pictavi, Aquitani, Greci, Armeni, Daci, Noroequi, Russi, Ioranti, Nubiani, Parthi, Romani, Galate, Ephesi, Medi, Tuscani, Kalabriani, Saxones, Siciliani, Asiani, Ponti, Bitiniani, Indiani, Creti, Hierosolimitani, Antiocheni, Galilei, Sardani, Cipriani, Ungari, Bulgari, Ysclavoni, Africani, Perse, Alexandrini, Egiptii, Suriani, Arabes, Colosenses, Mauri, Ethiopes, Philipenses, Capadoci, Corinti, Elamite, Mesopotamiani, Libiani, Cirenenses, Pamphiliani, Ciliciani, Iudei, et ecetere gentes innumerabiles.“Quelle: Gonzalo Torrente Ballester, Pilgerlesebuch Santiago de Compostela.

Die meisten Völkernamen dürften einem irgendwie bekannt vorkommen, einige scheinen mir fremd. Interessant ist, dass in Calixtinus II. Aufzeichnungen nahezu die gesamte bis dahin bekannte Welt vorkommt, wobei er die Chinesen nicht erwähnt, weil sie wohl noch nicht vom Evangelium gehört hatten. Weiterhin bemerkenswert, dass er auch die Araber nennt.

Der Weg des Pilgers sei für den Rechtschaffenen die Absage an Laster, die Abtötung des Leibes, die Vergebung der Sünden, die Buße der Büßer, der Weg der Gerechten, die Liebe der Heiligen, die Hoffnung der Auferstehung und der Lohn der Seligen, die Abwendung von der Hölle und die Versöhnung mit dem Himmel. Der wahre Pilger teile mit den Armen und den bedürftigen Pilgern. Die das nicht täten, seien keine echten Pilger – sondern Diebe und Banditen Gottes. Im weiteren Verlauf seiner Predigt verweist der Papst auf die Apostel, die weiland von Jesus ja ohne Geld auf die Missionsreise geschickt worden seien.

„Die Apostel waren Pilger, weil der Herr sie ohne Geld und ohne Schuhwerk schickte. Deshalb ist es den Pilgern nicht erlaubt, in irgendeiner Form Geld mitzunehmen, wenn sie dieses Geld nicht mit den Armen teilen.“

„Und so wie jene (die Söhne Israels) nach vielen Entbehrungen ins Land der Verheißung zogen, so erlangen die Pilger, um in das den Gläubigen versprochene himmlische Vaterland einziehen zu können, die Gemeinschaft der Heiligen, nachdem sie die unzähligen Betrügereien der Wirte erlitten, Berge bestiegen, in die Täler hinuntergewandert, von Räubern überfallen und verschiedene Gefahren sowie Mühsale auf dem Weg zu den Stätten der Heiligen überstanden haben.“ Quelle: Ausarbeitung TU-Dresden, Kunstgeschichte Spanien, Webseite vom 12.06.2006.

Wichtig ist ihm auch, dass, bevor der Pilger seine Reise antritt, er sein Gewissen prüft,allen vergibt, die ihm Unrecht angetan haben,  Meinungsverschiedenheiten bereinigt, sein Haus in Ordnung zurücklässt für Frau und Kinder.   

Der Apostel Jakobus habe große Vorbilder in Adam, Jakob bis hin zu Jesus Christus selbst gehabt.

Einen ganz wichtigen Teil seiner Predigt nimmt das Laster ein, vor allem das derjenigen der schlechten Wirte, der Räuber, der Diebe, der Prostituierten,  der Lügenmärcherzähler über den heiligen Jakobus, der falschen Beichtväter, der betrügerischen Geldwechsler, der hinterlistigen Händler und der gierigen Zöllner. Sie alle habe der Pilger zu fürchten. Gleichwohl schließt der Papst das Kapitel versöhnlich mit einem Lob auf den Heiligen Jakobus, auf das spanische Volk, auf die Grabstätte und auf die frommen Pilger selbst.  

Das Buch der Wunder geht auf zweiundzwanzig Wunder ein, die dem Wirken des heiligen Jakobus zugeschrieben werden; überliefert unter anderem aus Galicien, Deutschland, Ungarn, Italien. Damit wurde letztlich verdeutlicht, dass schon zu diesem Zeitpunkt der Jakobuskult in großen Teilen Europas verbreitet war.

Das Buch der Verehrung des Heiligen behandelt vor allem die wundersame Translation Jakobi von Jerusalem nach Spanien; es zitiert einen Brief von Papst Leo und erklärt neben den Jakobsmuscheln die drei Feiertage des hl. Jakobus: 25. März: Martyrium; 25. Juli: Translation, 30. Dezember. Für die damaligen Gläubigen Beweis genug, dass seine leiblichen Überreste sich tatsächlich in Compostela befinden.

Der 4. Teil ist Karl dem Großen gewidmet. Es thematisiert den Feldzug König Karls Anno Domini 778 gegen die Mauren, was laut Papst einher ging mit dem  ungehinderten Zugang der Pilger zum Grab des Apostels in Compostell. Danach hatte Karl in einer nächtlichen Vision von Jakobus eben diesen Auftrag erteilt bekommen. Karl (der Große) folgte der Vision, befreite Compostela  und gründete die Kathedrale des Heiligen. Im weiteren Verlauf wird sein erfolgreicher Kampf gegen die Mauren beschrieben.

Das Buch wurde lange Zeit bis zur Renaissance (15./16. Jh.) Erzbischof Turpin von Reims (748 bis 794) zugeschrieben – Paladin und einer der „Zwölf Peers“ Karls des Großen im altfranzösischen Rolandslied. Für deutsche Wissenschaftler Betrug, weil Fälschung für Spanier Autorenzuschreibung ein Brauch des Mittelalters

Foto: Ratsversammlung der Franken mit Turpin (auch: Tilpin), dem  Erzbischof von Reims. Rolandslied des Pfaffen Konrad. Übersetzung bzw. Bearbeitung des altfranzösischen Chanson de Roland (um 1100). Blatt 15v. 12. Jahrhundert

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Eindrucksvoll das Kapitel 17, das den Kampf Rolands mit dem Riesen Ferragut behandelt; auf dem Camino Frances mehrere Male thematisiert unter anderem in Roncesvalles, Estella und Najera.

Roland erklärt dem Moslem Ferragut die heilige Dreifaltigkeit Gottes und die Auferstehung Jesu Christi, des Sohnes Gottes, in einer theologischen Tiefe, die ich nicht für möglich erachtet hätte. Beide Aussagen hält Ferragut für Unsinn. Letztlich einigt man sich auf das Procedere, das Ferragut in etwa wie folgt zusammenfaßt: „Ich werde mit Euch unter folgender Bedingung kämpfen: Wenn dieser Glaube, den ihr habt, wahr ist, werde ich verlieren; wenn er falsch ist, wirst du besiegt werden. Möge das Volk des Verlierers in Ungnade fallen und das des Gewinners für immer mit Ehre und Ruhm erfüllt sein.“ Wer gewonnen hat? Roland.

Die Chronik schildert durchaus romanhaft den Feldzug Karls des Großen auf der spanischen Halbinsel, seine resp. Rolands Niederlage bei Roncesvalles und nicht zuletzt die Träume Karls des Großen, in welchen ihn der heilige Apostel Jakobus auffordert, sein Grab in Compostelle von den Moslems zu befreien, das Grab den Christen wieder zugänglich zu machen. Karl sollte dabei gen Westen dem Sternenweg folgen.

MEIN FAZIT 

Das 4. Buch des Codex Calixtinus sollte man gelesen haben, egal wem letztlich die Autorenschaft zugeschrieben werden wird: Bischof Turpin des 8. Jahrhunderts oder einem Unbekannten des 12. Jahrhunderts.

Foto: Historia Turpini.

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Für deutsche (Hobby-)Historiker ist das Buch IV. eine glatte Fälschung, weil besagter Bischof Turpin es nicht geschrieben haben kann. Sie sprechen gar von einem Betrug, der erst in der Renaissance aufgedeckt werden konnte.

Spanische Quellen / Historiker hingegen urteilen nicht so apodiktisch negativ, wählen vielmehr eine elegantere Beschreibung, die in etwa wie folgt lautet: Das Buch wurde in Prosa von einem anonymen Geistlichen französischer Herkunft geschrieben, wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Entsprechend dem Brauch des Mittelalters schreibt es die Autorenschaft einer allseits bekannten historischen Person zu, in diesem Fall Bischof Turpin (8. Jh.), dem ehemaligen Mönch und Schatzmeister von Saint-Denis und späteren Erzbischof von Reims.

Schade, daß es derzeit keine annehmbare deutsche Übersetzung gibt; so war ich auf die einschlägigen Internetquellen wie auf Kevin R. Poole`s Chronicle of Pseudo-Turpin (Italica Press, New York 2014) angewiesen.  

Die Titel-Überschriften zu den Geschichten Karls des Großen und seinen Eroberungen in Spanien / Conquistas de Carlomagno:

  • 1. Von der Erscheinung des Apostels bis Karl dem Großen
  • 2. Von den Mauern Pamplonas, die von selbst eingestürzt sind
  • 3. Die Namen der eroberten Städte Spaniens
  • 4. Über das Idol Muhammad
  • 5. Von den von Karl dem Großen gebauten Kirchen
  • 6. Über Aigolando
  • 7. Vom Beispiel des Toten Almosen
  • 8. Über die Schlacht von Sahagun und den blühenden Speeren
  • 9. Von der Stadt Agen
  • 10. Von der Stadt Saintes, wo die Speere blühten
  • 11. Über die Soldaten der Armeen Karls des Großen  
  • 12. Von der Kontroverse Karls dem Großen mit Aigolando
  • 13. Über die Armen
  • 14. Vom Tod des Königs Aigolando
  • 15. Von den Christen, die von ihrer Suche nach illegaler Beute zurückkehrten
  • 16. Von der Schlacht mit Furre
  • 17. Über den Kampf Rolands mit dem Riesen Ferragut und vom exzellent geführten Disput Rolands
  • 18. Über die Schlacht der Masken
  • 19. Vom Konzil Karls des Großen
  • 20. Über Karl dem Großen und seiner Härte/Strenge
  • 21. Von der Schlacht von Roncesvalles, Rolands Tod und anderen Kämpfern
  • 22. Vom Tod Karls des Großen
  • 23. Vom Wunder, das Gott auf Wunsch Rolands in der Stadt Grenoble tat
  • 24. Vom Tod Turpins und der Entdeckung seines Leichnams (Papst Calixtinus)
  • 25. Über Almanzor von Cordoba (Papst Calixtinus)
  • 26. Vom Kreuzzug in Spanien (Brief Papst Calixtinus)

Der Teil V. des Liber Sancti Jacobi wird als Anleitung für die Durchführung der Wallfahrt nach Compostela verstanden. Er beginnt mit den Worten: „INCIPIT LIBER. IIII. SCI. JACOBI. A – Hier beginnt das IV. (V.) Buch des heiligen Apostels Jakobus.“ Das Vorwort des seligen Papstes Calixtus schließt sich an: „Wenn der gebildete Leser in unseren Werken die Wahrheit sucht, wird er sie in diesen Blättern bedenkenlos und ohne Zögern finden, denn alles was hier geschrieben ist, bezeugen viele, die noch leben, als wahr.“

Der Pilgerführer besteht aus elf Kapiteln, in denen es von praktischen Tipps nur so wimmelt. Er beschreibt detailliert die Hauptwege Via Turonensis, Via Lemovicensis, Via Podiensis und Via Tolosana. Diejenigen Wege, die über Notre-Dame in Le Puy, Ste-Foy in Conques, St-Leonard im Limousin und St-Martin führen, vereinigen sich bei Ostabat, weiter über den Cisapass bis Puente la Reina, wo er sich mit dem Weg vom Somportpass vereinigt, dem heutigen Camino Aragones. Man beachte, weiland spielte der Camino vom Col du Somport eine wesentliche Rolle.

Die in den Kapiteln 1 und 2 erwähnten Strecken über den Somportpass, Puente la Reina, Pamplona, Burgos und letztlich von León nach Compostela sollten die „Pilger, die nach Compostell aufbrechen und dies hören, (in die Lage versetzen), die nötigen Reisekosten im Voraus planen zu können.“

Die vermerkten Tagestrecken sind bis zu sechzig Kilometer lang, also kaum vom Fußpilger schaffen, wohl mehr mit dem Pferd. Es kann durchaus sein, dass die Autoren letztlich diese Distanzen bewusst gewählt haben, um die Pilger nicht zu verwirren, sie möglicherweise vom Weg abzuhalten …

Mittelalterliche Etappen

Drei Tagesstrecken vom Somportpass bis Puente la Reina

Drei kleine Etappen: die 1. von Borce (Dorf am Fuß des Passes gelegen) bis nach Jaca, die zweite von Jaca bis nach Monreal; die dritte von Monreal nach Puente la Reina.

Dreizehn Tagesstrecken vom Cisapass (Port de Cize) in den Pyrenäen bis Santiago de Compostela

Die 1. Etappe von St-Michel am Fuß des Cisapasses bis nach Viscarret; die 2. von Viscarret bis Pamplona; die 3. von Pamplona nach Estella. Die 4. Etappe von Estella bis nach Najera sollte mit dem Pferd zurückgelegt werden; ebenso die fünfte von Najera bis Burgos. Die 6. Etappe von Burgos bis Fromista, die siebente von Fromista bis Sahagun, die achte von Sahagun bis Leon; die 9. von Leon bis Rabanal, die 10. von Rabanal bis Villfranca (Monte Irago). Die 11. Etappe von Villfranca nach Triacastela; die 12. von Triacastela nach Palas de Rei. Die Schlussetappe von Palas de Rei nach Santiago ist kurz.

Der Pilgerführer geht gleichermaßen auf viele an diesem Weg gelegene Orte

ein, auf deren Namen und Bedeutung; beschreibt in den Kapiteln 4 und 5 das Hospiz Santa Cristina vom Somportpass, es sei neben den Hospizen in Jerusalem und jenem auf dem St. Bernhard-Pass das wichtigste und bedeutendste. Im weiteren Verlauf unterlässt er es nicht, auch die Namen der berühmten Straßenbauer zu wiederholen, die den Camino erst mehr oder weniger gangbar gemacht hätten. 

Gefahren

In den Kapiteln 6 und 7 widmet sich der Pilgerführer den Gefahren wie schlechte (vergifte) und gute Wasser, den Charakterzügen der Einwohner entlang der Pilgerstraßen.

Kirchen, Reliquienorte, Opfergaben

Im Kap. 9 den heiligen Reliquienstätten und Kirchen, die der Pilger unbedingt besuchen sollte; der Beschaffenheit der Stadt Compostela und ausgesprochen ausführlich und detailgenau der Basilika des heiligen Jakobus wie Maße der Kirche, Anzahl der Fenster, alle Portale, Altäre, etc.

Die Kapitel 10 und 11 gehen auf die Opfergaben ein, die jeder Pilger dem heiligen Jakobus darbringen soll – letztlich zwecks Finanzierung der bedürftigen Rückreisepilger. Überschrift: Würdige Aufnahme der Pilger in Compostela.

Lesenswert die englische Ausgabe in der Übersetzung aus dem Spanischen von Teresa Moralejo Garate, 2020. Editora alvarellos.

codex calixtinus. Book V – 12th Century. The Medieval Pilgrims`s Guide.

Codex Calixtinus. Buch V – 12. Jahrhundert. Der Pilgerführer des Mittelalters.

  • Book V of the Codex Calixtinus or The Guide of the Medieval Pilgrim,
  • written in den mid-12th century, possibly by a French monk,
  • is a fundamental text of the identy of Europe.
  • This is the first guide that describes the road to Santiago and its final destinantion,
  • as well as the first travel guide of the cultute of the Old Continent.
  • In this book, we will travel to the early times of pilgrimage in medieval Europe,
  • in a unique landscape which we know today as the French Road to Santiago.
  • At the end of such road emerges Santiago de Compsotela, described in this guide as the happiest and most sublime city in Spain.

Deutsche Übersetzung: Buch V des Codex Calixtinus oder der Leitfaden für den mittelalterlichen Pilger, geschrieben in der Mitte des 12. Jahrhunderts, möglicherweise von einem französischen Mönch, ist ein grundlegender Text über die Identität Europas.

Es handelt sich um den ersten Reiseführer, der den Jakobsweg und sein Ziel beschreibt, sowie der erste Reiseführer über die Kultur des Alten Kontinents.

In diesem Buch reisen wir zu den Anfängen des Pilgerwesens im mittelalterlichen Europa, in eine einzigartige Landschaft, die wir heute als den französischen Jakobsweg kennen.

Am Ende dieses Weges liegt Santiago de Compsotela, das in diesem ReiseFührer als die glücklichste und erhabenste Stadt Spaniens beschrieben wird.

Wenn der gebildete Leser in unseren Werken die Wahrheit sucht, wird er sie in diesen Blättern bedenkenlos und ohne Zögern finden, denn was hier geschrieben ist, bezeugen viele, die noch leben, als wahr.“ 

Des weiteren geht der Papst auf die seiner Meinung nach in schlichtem Stil geschriebenen Predigten ein, damit sie Laien und Kundige gleichermaßen verstehen.

Beispiele Kapitel 6 und 7

„Der Fluss in Logroño heißt Ebro, sein Wasser ist gut und reich an Fischen. Alle Flüsse zwischen Estella und Logrono führen ein für Pferd und Menschen todbringendes Wasser, und vom Verzehr ihrer Fische wird abgeraten.“

Vom Cisapass bis nach Santiago verbleiben 13 Etappen (…) Die neunte von Leon bis Rabanal, die zehnte von Rabanal bis nach Villafranca, nachdem man den Monte Irago überquert hat. Die elfte nach Triacastela über den Cebreropass; die zwölfte reicht von Triacastela nach Palas del Rey; die dreizehnte bis nach Santiago ist kurz.“

„Dies sind die Namen einiger Straßenbauer, die zu Zeiten des Erzbischofs Diego von Compostela, des Kaisers Alfons von Spanien und Galicien und des Papstes Calixt den Jakobsweg von Rabanal bis zur Minobrücke aus Liebe zu Gott und zu seinem Apostel instand setzten. Dies geschah vor dem Jahr 1120 unter der Regierung des Königs Alfons von Aragonien und Ludwigs des Dicken von Frankreich: Andreas, Roger, Alvitus, Fortus, Arnold, Stephan und schließlich Petrus, der die von Königin Urraca zerstörte Minobrücke wiedererbaute. Die Seelen dieser Männer und ihrer Helfer mögen ewig in Frieden ruhen.“

Hinweise

Weitere Auszüge des Codex Calixtinus sind den einzelnen Etappen unseres REISEBERICHTs WESTWÄRTS nach Galicien zu entnehmen; vgl. Seite Reisebericht

Es gibt gute Literatur. Hier empfehle ich unter anderem die betreffenden Bücher von Prof. Klaus Herbers (auch als Quelle herangezogen: Der Jakobsweg – Ein Pilgerführer aus dem 12. Jahrhundert, Reclam 2008)  und den oben beschriebenen Bildband von Paolo Caucci von Saucken, wie Kevin R. Poole`s Chronicle of Pseudo-Turpin.

Vita des Papstes: s.u. Bürgerlicher Name Guido von Burgund (1060-1124): 162. Nachfolger Petri, gewählt im französischen Stift Cluny am 02.02.1119.

Berühmt geworden durch: a) Wormser Konkordat; b) Beendigung des Investiturstreites zwischen Kaiser und Papst, c) Einberufung des Laterankonzils in 1023, d) Vorwegnahme ex cathedra (Unfehlbarkeit des Papstes), wenn der Papst in Ausübung seines obersten Lehr- und Hirtenamtes eine Wahrheit des Glaubens und der Siitten für die ganze Kirche verkündet); erst unter Papst Pius IX. 1870 offiziell bestätigt.

Vita Papst Calixtinus II.

WORMSER KONKORDAT – BEENDIGUNG DES INVESTITURSTREITS – 1. LATERANKONZIL Anno Domini 1023   

Foto: Papst Calixtus II. Aus dem „Liber ad honorem Augusti“ des Petrus von Ebulo, 1196

FotoQuelle: commons.wikimedia (21.02.25), gemeinfrei.

Papst Calixtinus II., geboren als Guido von Burgund, lebte im Hochmittelalter von 1060 bis zum 13. Dezember 1124.

Die letzten gut fünf Jahre amtierte er als 162. Nachfolger Petri, gewählt im französischen Cluny am 2. Februar 1119, wo sein Vorgänger Papst Gelasius II. gestorben war, Nachfolger von Paschalis II. – Warum erwähne ich das?

Papst Paschalis II. hatte mit König Heinrich V. am 9. Februar 1111 einen Vertrag schließen können, wonach der deutsche König auf das Investiturrecht verzichtete, um im Gegenzug dann vom Papst zum Kaiser gekrönt zu werden. Der Vertrag scheiterte an der fehlenden Zustimmung der weltlichen und geistlichen Fürsten. Papst Calixtus II. sollte elf Jahre später das Werk seines Vorvorgängers vollenden. Dazu später mehr. 

Zurück zu Calixtus II., auch Calixt II. oder Callistus II. genannt. 

Sein Name (kallistos) bedeutet griechisch / lateinisch „der Schönste.“ Erst nachdem auch die in Rom gebliebenen Kardinäle sowie das römische Volk seiner Wahl zugestimmt hatten, damaligen Gepflogenheiten entsprechend, stimmte auch er der Papstwahl zu – obwohl selbst kein Kardinal, sondern nur Erzbischof.  Offensichtlich bewahrte sich Calixtinus auch in seinem neuen Amt sein Interesse am Jakobsweg, das er schon Jahre zuvor als Abt von Cluny und Erzbischof von Vienne zum Ausdruck gebracht hatte – durch die Förderung der Wallfahrten nach Santiago. Nicht von ungefähr wird das Jakobsbuch, lateinisch Liber Sancti Jacobi, eben auch Codex Calixtinus genannt, ob zu Recht oder nicht sei dahingestellt.

Berühmt geworden ist dieser Papst also durch die Beendigung des Investiturstreits am 23. September 1122. Zusammen mit dem deutschen Kaiser Heinrich V. initiierte er das Wormser Konkordat. Die Kirche konnte nunmehr ihr originäres Recht wahrnehmen und fortan Bischöfe wie Äbte selbst auswählen und ernennen (die Investitur = Einweisung in ein Amt) – allerdings nur in Anwesenheit kaiserlicher Abgeordneter. Diese Regelung gilt prinzipiell auch heute. Als Vertragspartner fungieren der Heilige Stuhl und die Bundesrepublik Deutschland. 

Zur Vorgeschichte 

Calixtus II. war Anhänger der Reformbewegung, die auf Papst Gregor VII. (1020 bis 25. Mai 1085) zurückgeht. Ziel der Reformer war, die Kirche wieder zum Idealzustand der Urkirche zurückzuführen. Nur so könne sie die Welt zum Christentum führen – auch als Gregorianische Reform bezeichnet. Dazu zählte die konsequente Einhaltung der priesterlichen Ehelosigkeit, die Abschaffung des Konkubinats für Priester, das Verbot der Simonie (widerrechtlicher Kauf oder Verkauf von kirchlichen Ämtern, Pfründen, Reliquien, etc.), und letztlich ging es auch um die Stellung des Papstes, seines Primats.

Nachdem König und Fürsten in Folge der Papstwahl von 1119 endlich ihren Reichsfrieden hatten schließen können, nahm die weltliche Seite die 1111 n. Chr. gescheiterten Friedensverhandlungen mit dem Papst wieder auf. Calixtinus II. wich mit keinem Deut vom Anspruch des Verzichts des königlichen Investiturrechts ab. König wie Fürsten widersprachen, vor allem letztere sahen sich neben dem König als rechtmäßige Repräsentanten des Reichs. Die Einigung wurde schlussendlich mit dem Wormser Konkordat von 1122 erzielt.

Christian Schumacher beschreibt es in seinem Aufsatz Das Reformpapsttum 1046-1123/23 wie folgt:

„Die Einigung wurde im Wormser Konkordat 1122 erzielt vor dem Hintergrund, dass nicht nur das salische Haus vor dem Abgrund stand, sondern eben auch das Reich.

Die Einigung bestand darin, dass der König auf seine Investitur mit Ring und Stab verzichtete, denn Ring und Stab sind beides Symbole der geistlichen Herrschaft und in der Kirche wurde der Standpunkt vertreten, dass der König trotz seiner Salbung nur ein Laie ist und daher kein Anrecht auf diese Verleihung hat.

Außerdem trennte man ab sofort die weltliche Einführung in das Bischofsamt und die damit verbundenen Würden und Besitzungen strikt von der Einführung in das geistliche Amt des Bischofs.

Im Reich sowie in Reichsitalien und Burgund wurde, unter königlicher Anwesenheit, als erstes der Kandidat nach kanonischer Wahl gewählt. Im Reich kam an zweiter Stelle die Investitur in die Regalien durch die Verleihung eines Zepters seitens des Königs und an dritter Stelle die sakramentale Bischofsweihe. In Reichsitalien und Burgund kam die Weihe vor der Investitur.

So wurde das königliche Investiturrecht vermindert, jedoch hatte der König im Reich noch verhältnismäßig viel Einfluss auf die Bischofswahl, denn die Weihe und damit die Erhebung ins Amt war durch die Investitur bedingt. Dennoch wertete der Papst das Wormser Konkordat als Sieg, da die meisten der päpstlichen Forderungen durchgesetzt wurden und der König mehr Zugeständnisse machen musste.“

Die letzte wichtige Tat seines Pontifikats war die Einberufung des 1. Laterankonzils 1023 in Rom, in welchem unter anderem das Wormser Konkordat bestätigt und die Eheschließung der Geistlichen untersagt wurde im Rahmen der oben bezeichneten Gregorianischen Reform, also Entsagung der Käuflichkeit von Weihen, Verbesserung der Sitten der Kleriker. Immerhin sollen zwischen 300 und 1.000 Kleriker (Bischöfe, etc.) anwesend gewesen sein. 17 resp. 22 Kanones, das sind kirchliche Dokumente, wurden verabschiedet.

Den dort aufkommenden Widerspruch zum Konkordat seitens der Bischöfe, immerhin hatte der König noch in gewisser Weise mitzureden, bügelte der Papst mit seiner Erklärung ab, dass die Anwesenden kein Mitspracherecht besäßen, er alleine sei der Entscheider – quasi eine Vorwegnahme des 1870 während des 1. Vatikanischen Konzils von Papst Pius IX. verkündeten Dogmas der Unfehlbarkeit ex cathedra. (bitte durchscrollen)

DAMALIGE SITUATION MIT HEUTE NICHT VERGLEICHBAR

Um die damalige Situation überhaupt zu verstehen, muss man wissen, dass bis 1122 das Verhältnis zwischen König und Kirche im Wesentlichen durch den sakralen Charakter des Königs bestimmt war, von seinem Selbstverständnis her. Danach änderte sich das sakrale Anrecht. Das Verhältnis zwischen König/Kaiser und den Bischöfen wie zu den Fürsten wurde auf die Basis des eidlichen Lehensrecht gestellt = leihen. Hieraus gingen im Spätmittelalter die Fürstbischöfe hervor. Papst Calixtinus` letzte Ruhestätte befindet sich in der römischen Lateranbasilika.

Quelle: u.a. Christian Schumachers Aufsatz Das Reformpapsttum 1046-1122/23, erschienen auf der Webseite des Arbeitskreises katholischer Glaube, Ausgabe Dezember-Januar 2017/17, Nr. 131.