Rezeptionen heute und gestern. Rundgang Kathedrale und Prazas (s.u.: bitte scrollen). Pilgermesse. Mittelalterliche Baumeister.
Rückblick Mittelalter
Für die mittelalterlichen Pilger war die Sache klar. Sie gingen nicht durch das westliche Tor, dem heutigen Haupteingang, in die Kathedrale. Sie gingen singend und betend, von der Porta Francigena im Westen kommend, teils auf Knien rutschend, durch das Nordportal mit der Azabacheria-Fassade hinein zum Grab des heiligen Jakobus. Von der Praza de Immaculada, dem Platz der unbefleckten, makellosen Jungfrau.
Das alte Tor wird bereits im Codex Calixitinus erwähnt. Hier fand der Pilger einen großen Platz mit einem Brunnen vor, einer der prunkvollsten der Zeit. Aus dem Brunnenbecken erhob sich eine bronzene Mittelsäule, die von vier Löwen umgeben war. Auf dem Platz wurde in der Hauptwallfahrtszeit zu Ostern und am Michaelstag der Jakobusmarkt abgehalten. Am Platz lag auch das alte Pilgerhospital, welches schon 1125 erwähnt wird, die Pfarrkirche der Fremden und das Kloster San Pelayo. Platz und Portal sind 1765 n. Chr. umgebaut worden, entworfen von Lucas Caveiro, nachdem das alte Tor des Paradieses (Francigena) 1758 seines Verfalls wegen abgerissen werden musste. Situationsbericht nach dem Codex Calixtinus: An der Nordseite der Basilika verkauft man den Pilgern Muscheln. Man bietet Weinschläuche feil, Schuhe, Rucksäcke aus Hirschleder, Taschen, Riemen, Gürtel, medizinische Kräuter aller Art und weitere Gewürze. Es gibt Geldwechsler, Gastwirte und viele andere Händler.
Christoph Gunzinger, ein Prälat aus Wiener Neustadt, zeigte sich 1654 von der erzbischöflichen Residenz als herrlichem Palast angetan und bewunderte das königliche Hospiz, das Hostal de los Reyes Catolicos. Wie heute strebten auch weiland viele Pilger zur Statue des heiligen Jakobus oberhalb des Hochaltars. Gunzinger hatte übrigens das Privileg, von dem Erzbischof eingeladen zu werden.
Ankunft in Santiago. Rezeptionen gestern und heute
200 vor Christus bis 2006 nach Christus
Eindrucksvoll beschrieben von mittelalterlichen Pilgern, vom Liber Sancti Jacobi / Codex Calixtinus des 12. Jahrhunderts, dem Lied der Jakobspilger Wer das Elent bawen wel des 13. Jahrhunderts, von Arnold von Harff im 15. Jahrhundert und Domenico Laffi im 17. Jahrhundert, wie von modernen Pilgern des 20. und 21. Jahrhunderts. Vorweg der alttestamentarische Prophet Jesaja.
Jesaja 20,29; 200 vor Christus: Dann singt ihr Lieder wie in der Nacht, in der man sich heiligt für das Fest. Ihr freut euch von Herzen wie die Pilger, die unter dem Klang ihrer Flöten zum Berg des Herrn, zu Israels Felsen, hinaufziehen.
- Liber Sancti Jacobi, 12. Jahrhundert: Compostela, die erhabene Stadt des Apostels, voller Liebreiz aller Art, die Stadt, die die sterblichen Reste Santiagos aufbewahrt, Grund dafür, dass sie als die glückseligste und erhabenste der Städte Spaniens betrachtet wird. Ich habe mich auf die Beschreibung dieser Etappen beschränkt, damit die Pilger, die nach Santiago aufbrechen und dies hören, die nötigen Reisekosten im Voraus planen können.
- Wer das elent bawen wel. Lied der Jakobspilger, 13. Jahrhundert: Strophe 25. Den Finstern Stern wellen wir lan stan und wellen zu Salvater ein gan, groß wunderzaichen an schawen **); so ruofen wir got und sant Jakob an, und unser liebe frawen. – Strophe 26. Bei sant Jakob vergibt man pein und schult, der liebe got sei uns allen holt in seinem höchsten throne! Der sant Jacob dienen tuot, der lieb got sol im lonen.
- Gabriel Tetzel, 1465 n. Chr.: Sankt Jakobs Kirche ist eine schöne, geräumige und große Kirche mit wunderschönen Steinsäulen. Aber damals sa es drinnen wüst aus. Es standen Pfede und Kühe in der Kirche. Auch wohnten die Menschen alle dort, kochten und schliefen in ihr. *)
- Hermann Künig von Vach, 1495: Dann über neun Meilen findest du Sankt Jakob ist dirs beschert. Mit Namen in der Stadt zu Compostell darauf freut sich macnher gute Gesell, dass er sie fröhlich mag schauen an. *)
- Arnold von Harff, 15. Jahrhundert: Compostela ist ein kleines, schönes, gefälliges Städtchen in Galicien, dem König von Kastilien unterworfen. Hier liegt eine schöne große Kirche. Auf dem Hochaltar steht ein großes hölzernes Heiltum zu Ehren von St. Jakob mit einer Silberkrone auf dem Haupt, und die Pilger steigen von hinten an den Altar und setzen die Krone auf ihre Häupter. (…) Vor der Kirche siehst Du unzählige große und kleine Muscheln feilgeboten. Die kannst Du kaufen und Dir eine auf Deinen Mantel binden und sagen, Du seist dort gewesen.
- Sebald Örtel, 1521: Ich ließ für einen Dukaten Messe lesen und gab einem armen deutschen Weber einen Dukaten, das er aus dem Gefängnis kam. Den armen Leuten im Hospiz gab ich einen Dukaten. Wir besahen das ganze Pilgerhospiz, ein schöneres habe ich nie gesehen. An Allerseelen zu Mittag zogen wir zu Sankt Jakob wieder aus. *)
- Domenico Laffi, 1670/73: Wir dankten Gott und dem Apostel, dass sie uns sicher hierher gebracht hatten (…) Dann gingen wir hinter den Altar, einige Schritt hoch, wo wir die Statue des Apostels Jakobus umarmten. (…)
- Nicola Albani, 1743: Mit schnellem schritt näherte ich mich der heiligen Stadt, und als ich zum Tor kam, war meine einzige Sorge die Frage nach der Jakobus-Kirche. Und als ich mit Hilfe des Heiligsten dorthin kam, betrat ich sie schnell. Das ganze Herz und der ganze Sinn wurde mir erleuchtet, und ich fühlte mich, als ob ich den Himmel betreten hätte, sodass meine Beine und der ganze Körper bebten, im Kopf drehte sich alles. *)
- Rosalia de Castro, 1837-1885: Danach die Kathedrale (…) mystischer Palast kühner romanischer Arkaden, mit seinem Paradiestor voller Schönheit: Mir schien, wie ich emporschaute, als wollte auf meine Stirn herab, in Trümmer fallend der Türme Riesenmasse niederstürzen. *)
- 20. Jahrhundert: Heil`ger Jakobus, wir rufen heut` an deinen Namen: Sieh her auf alle, die zu diesem Heiligtum kamen. Tritt für uns ein – Gott möge gnädig uns sein. Führ` uns den guten Weg.
Mai 2006 nach Christus: Vor uns die Kathedrale in voller Pracht (…) durchschreiten den Portico de la Gloria, ein Meisterwerk von Meister Mateo. Sind überwältigt, glücklich.
*) Quelle: Santiago de Compostela, Die Stadt des heiligen Jakobus, Silvia Steinbach, Andreas Drouve, 2008, Tyrolia-Verlag, Insnbruck,Wien.
**) Hier meint der mittelalterliche Verfasser die Salvatorkirche in Oviedo (Camino Primitivo) und im Besonderen das dort ausgestellte Schweißtuch Jesu Christi. Für den mittelalterlichen Pilger war es ein Muß, auch und gerade wichtige Wallfahrtsstätten abseits des Camino de Santiago aufzusuchen. Und in Oviedo befand sich die wichtigste: “ Geht’s du nach Santiago und nicht nach San Salvador, so besuchst du den Diener und vergisst den Herrn.“
Rundgang Kathedrale
Kathedrale. Westfassade.
Links ist der erzbischöfliche Palast aus dem 18. Jahrhundert zu sehen, benannt nach Erzbischof Gelmirez. Rechts daneben resp. links vom Haupteingang steht der barocke La Carraca-Turm. Neben der wuchtigen Treppe, unterhalb der Zugang zur Krypta, steht der Glockenturm. Im Anschluß daran das Museum mit der barocken Klosterfassade und ganz rechts der Turm des Siegels mit dem Archiv.
Praza do Obradoiro. Im Westen. Vom Haupteingang der Kathedrale aus betrachtet.
Im Hindergrund die Barockfassade des Rajoy-Palastes. Heute Sitz der Verwaltung. 1766-1772 für Erzbischof Bartolome Rajoy erbaut. Der Mittelgiebel ist mit einem Relief, das die Schlacht von Clavijo (844) darstellt, verziert, darüber die Reiterfigur des heiligen Jakobus.
Der Name des Platzes leitet sich her vom spanischen Obra de Oro: Arbeit aus Gold.
Portal des Hospital Real. Nördlicher Abschluß der Plaza de Espana. Hostal de los Reyes Catolicos. Parador-Hotel.
Seit 1509 werden hier Pilger aufgenommen. Im Jahre 1501 war unter der Leitung von Enrique Egas mit dem Bau begonnen worden, der letztlich zurückgeht auf den Beschluß des Königspaars Don Fernando und Dona Isabel aus 1489, an dieser Stelle ein Hospital zu begründen.
Der Innenausbau wurde 1556 beendet, die Fassade 1678 erneuert, im 18. Jahrhundert die Höfe umgebaut und die Eingangshalle und der königliche Salon mit Fresken ausgeschmückt. Über dem Portalbogen erscheinen neben den Medaillons der Stifter die Apostel, darüber Petrus, Jakobus, Christus, Maria, Johannes und Paulus. An den Seiten sind weitere Heilige wie Johannes der Täufer, Katherina und Barabara dargestellt
Plaza Platerias. Einer der bekanntesten Plätze Santiagos. Im Süden. Platz der Silberschmiede. 16. Jahrhundert. Lange Zeit der Haupteingang für die Pilger. Schon auf dem Monte del Gozo hatten sie im Anblick der Türme das Te Deum (Großer Gott, wir loben dich) angestimmt. Und nun stehen auch wir davor.
Links im Bild angedeutet die Schatzfassade mit den Geschäften für Silberschmuck, etc. Links im Vordergrund ist der Pferdebrunnen Fuente de los Caballos aus dem 19. Jahrhundert zu sehen.
Im Hintergrund die romanische Plateria-Fassade (Baubeginn 1075) und der gotische Uhrturm aus dem 14. Jahrhundert, benannt nach der Königin Berenguela oder auch Torre del Reloj
Das Südportal – Puerta de las Platerias – wird schon von französischen Besuchern zwischen 1137 und 1143 erwähnt. Vom Pilgerführer Liber Sancti Jacobi ist eine genaue Beschreibung sowohl des Nord- wie des Südportals erhalten. Danach befand sich über dem südlichen Doppelportal ein Fries von lebensgroßen Figuren mit dem segnenden Christus im Kreis seiner Apostel. Der dargestellte Jakobus, zwischen zwei Baumstämmen (Zypressen) befindlich, ist gleichermaßen an der Porte Miegeville in Toulouse zu sehen, sodass davon auszugehen ist, dass die Jakobsfigur vom Südportal dem Zeitraum um 1118 entstammt; s.u.
Wir stehen staunend vor den beiden Rundbögen, die hier nur ansatzweise angedeutet werden können, gestützt von Figuren geschmückten Säulen. Beide Tympana sind durchsetzt von biblischen Ereignissen: Passion Christi, Gefangennahme, Geißelung und Verurteilung durch den Statthalter Pilatus. Dann wiederum ein völlig neues Bild mit einer Heilungsszene Jesu Christi, den Heiligen Drei Königen, etc.
Der Mittelpfeiler ist eindeutiger zu erklären. Das Chrismon beschreibt den unbesiegbaren Pantekrator. Darüber Abraham, der dem Grab entsteigt, Posaunen blasende Engel und darüber Jesus Christus nebst Jakobus mit dem Evangelienbuch in der Hand. Natürlich fehlt auch Petrus mit dem Schlüssel nicht (in der oberen Figurenreihe links).
Im weiteren Verlauf sind zu bestaunen die Figuren mit Adam und die Erschaffung Evas, den mit der Harfe musizierenden König David , et ecetra.
Plaza del Quintana – Puerta Santa.
Zur Heiligen Pforte und den Heiligen Compostelanischen Jahren, immer dann wenn der Gedenktag des Heiligen Apostels (25. Juli) auf einen Sonntag fällt, in Kürze im Detail mehr. Stichworte Ablaß, Buße, Beichte, Kommunion, Eucharistiefeier. Sidestep Coronaviruszeit 14. April 2020: Für Bischof Heiner Willmer aus Hildesheim nicht das wesentliche. In der Bibel lesen, würde reichen. Ob ihm bewßt war, dass er mit dieser seiner Äußerung das 2. Vatikanische Konzil ad absurdum geführt hat? Und es war nicht seine einzige katholisch-glaubensferne Bemerkung.
Was sehen wir? Ein Tor eingerahmt von 24 Propheten- und Apostelfiguren, erbaut von Meister Mateo um 1188, das prinzipiell nur in den Heiligen Jahren geöffnet ist. Darüber den Apostelfürsten Jakobus als Pilger rechts und links flankiert von seinen Helfern Teodoro und Atanasio, geschaffen 1694 von Pedro Docampo. „Wir sind vom Tod in das Leben hinübergegangen, weil wir die Brüder lieben“ – 1 Joh 3,14. Gut von den damaligen Pilgern nachzuvollziehen, führt doch die Heilige Pforte nach innen vom Platz Quintana de los muertos – Platz der Toten.
Davor hatte jahrhundertelang ein Brunnen aus dem Jahre 1122 gestanden, von dem gesagt wurde, er habe kein Gegenstück in der ganzen Welt. Auf den Giebeln steht der hl. Jakobus als Pilger, flankiert von den knienden Figuren Alfons III. und Ordonos II.
Plaza de los Literarios. Im Osten. Rechts auf dem Foto der Convento de San Pelayo Martin.
Die Plaza de los Literarios wird an der Ostseite von dem Kloster San Pelayo Martin begrenzt. Es wird schon im 9. Jahrhundert erwähnt, zählt somit zu den ältesten der Stadt, ursprünglich dem Apostel Petrus geweiht. Es lag innerhalb der ersten Stadtmauer des Königs Alfonso II. (791-842).
Erst gegen 1152 nahm das Kloster den heutigen Namen an. Kloster und Kirche wurde im 18. Jahrhundert neu gebaut. Zeitweise befand sich einmal der Hochaltar der Kathedrale in San Pelayo, wahrscheinlich zu Zeiten von Bischof Gelmirez um 1135.
Später mehr zu filigranen Arbeiten mittelalterlicher Baumeister