Das Tal der Steinpyramiden. Zauber des Camino Frances

Kleine Kunstwerke am Camino Frances zwischen zwei geschichtsträchtigen Orten, nämlich Navarrete und Najera – in La Rioja, dem berühmten Weinanbaugebiet.

Jedes Jahr laufen Hunderttausende Pilger diesen Weg entlang, staunen, bleiben stehen, meditieren gar den Sinn dieser Figuren. Oder ist es nur eine Vielzahl profan aufgeschichteter Steinchenhaufen ohne Sinn und Verstand platziert? Wer mag, sieht und spürt Mythisches, Mystisches, Spirituelles, vielleicht auch Esoterisches. Wer weiß das schon so genau? Die Frage, die sich mir aber stellt, ist doch die: Wer machte warum wann den Anfang? Wann wurde ein Gesamtkunstwerk daraus; wie oft neu aufgebaut von wem? – Man sieht es den Steinchen geradezu an. Wenn es denn könnte, das Tal der Steinmännchen würde so gerne so viele Geschichten den vorbeieilenden Pilgern erzählen wollen, so viele – neudeutsch – Narrative, natürlich nur denjenigen, die verweilen, gedanklich ein Feedback geben.  

Auszug Reisebericht westwärts, 10. Etappe. Navarrete. Es ist zehn vor sechs, bloß weg von diesem Hostal. Gestern noch froh über eine Übernachtungsgelegenheit gleich welcher Art gewesen (Herberge completo), nun nach einer Nacht sehr verstimmt über das unsaubere Haus. Uns erwartet die Bilderbuch‐Weinlandschaft Rioja, die allein schon wert genug wäre, länger zu verweilen. Das Interesse wendet sich dem Friedhof zu mit seinem imposanten Eingangsbereich (es ist vier Minuten nach sechs), Ventosa liegt im Dunst verhangen linke Hand mehrere Kilometer entfernt (keine Option für uns). Anderthalb Kilometer später, die Fußschmerzen, fast unerträglich, plötzlich vergessen. Warum? Ein großes Aha: Steinmännchen en masse, Steinpyramiden, phantastische hundert Stück und mehr: wer würde sie zählen? Links Weinreben. Ich nehme `mal an, hier dürfte ein toller spanischer Rioja-Rotwein heranreifen. Vierzig Minuten später endlich mein geschichtliches Highlight, der Poyo de Roldan, auf der linken Seite der Alto de San Anton, 610 m. Jeder Hügel habe seine eigene Geschichte, lese ich. Ich werde an anderer Stelle auf Beides eingehen.

Stopp, rechts auf der Wiese! Das darf doch nicht wahr sein! Zwei Pilger sitzen mittenmang (norddt. Platt) auf zwei dort abgestellten alten Sesseln, strahlen um die Wette, vor sich die Rucksäcke und ihr Kameragestell, ein weiterer Pilger wendet sich gerade ab. Irgendwie lustig.

Bevor sich Najera ankündigt, der Weg durch das Städtchen bis zur Brücke ist wenig erbaulich (für uns ging es an diesem Tag über Azofra noch weiter bis nach Santo Domingo de la Calzada, insgesamt geschlagene 37km), erwartet mich ein weiteres Highlight, verharren deshalb, schießen Fotos von der Tafel: Staub, Schlamm, Sonne und Regen, das ist der Weg nach Santiago (…) Wer ruft dich? Pilger.“; notieren, dass Schmierfinken den vierten Abschnitt der Tafel verschmutzen mussten: „Sicher, dass es ein ER ist?“ Daneben: „Wer wird denn so kleinlich sein?“ Leider sind die weiteren Sprüche -verwaschen – nicht mehr zweifelsfrei zu entschlüsseln. Die Kommentare beziehen sich auf ihn, dem ER dort oben, der dem Verfasser E.G.B  die Kraft und die Macht gibt, den Weg zu gehen.