Was ein verlorener Tag doch für Auswirkungen hat. *) Okay, wir haben ein wenig Bilbao (bask. Bilbo) kennenlernen können, die Metropole der Basken, häufig in den Gazetten wegen des Eta-Terrors. Sie kämpfen für ein selbständiges Baskenland – mit falschen Mitteln.





Wenige Jahre später werden wir Bilbao ein zweites und ein drittes Mal besuchen, uns viel Zeit nehmen für das Guggenheim-Museum und für die anderen Attraktivitäten der Stadt.

Huntto. Pilgermenü in der Herberge. Kurz darauf wird uns die „Holländerin“ zum Chigong animieren.
Rom — Jerusalem — Santiago. Das Pilgertagebuch des Ritters Arnold von Harff (1496-1498)
Eintrag des Ritters in Venedig: Hier traf ich Anstalten, nach dem fernen St. Jakob in Galicien zu ziehen und stattete mich mit Wechseln und anderen notwendigen Dingen aus. 2
In St. Jean startet der Navarrische Weg, bis er 90 km weiter in Puente la Reina mit dem Aragonischen Weg zusammenstößt und dort den eigentlichen Camino Frances begründet. Der Aragonesische beginnt traditionell am Puerto de Somport, südwestlich von hier, im Herzen der Pyrenäen, 1632 m hoch, an der französisch-spanischen Grenze.
*) Warum verlorener Tag? Die Rucksäcke waren nicht mitgekommen; erst am nächsten Tag, also eine Extra-Übernachtung in Bilbao einschieben. Resultat der Malaise: Unser Plan gerät bereits am ersten Tag ins Wanken. Die schon von Deutschland aus in der Auberge de Òrisson reservierten Plätze sind nicht mehr verfügbar. Von den Diskussionsforen der Jakobspilgern wußte ich, dass es sehr leichtsinnig sein kann, für die französischen Pyrenäen nicht vorgebucht zu haben; die spanischen Herbergen hingegen akzeptieren in der Regel keine Vor-Reservierungen. Ich habe Glück, in Huntto sind noch gerade zwei Betten nicht vergeben, müssen also nicht draußen campieren oder auf einem kalten Boden schlafen.
Die morgendliche Busfahrt von Bilbao bis nach Bayonne war ermüdend, sie dauerte über drei Stunden. Nach 1 1/2 Stunden Aufenthalt ging es weiter mit der Eisenbahn für knappe 75 Minuten.
Bestimmt einmal ein wichtiger (Erz-) Bischof von Bayonne gewesen.
Ich weiß es nicht. Uns stand auch nicht der Sinn danach, es heraus zu bekommen. Wir wollten einfach nur rasch zum Bahnhof kommen.
Ganz sicher wäre es angebracht gewesen, einen Blick in die Kathedrale Sainte-Marie de Bayonne zu werfen; erbaut im 13./14. Jh. Als Monument historique steht das Gotteshaus unter Denkmalschutz. Auch der Reliquienschrein des Heiligen Leo wäre ein Besuch wert gewesen. Auf jeden Fall die Statue des Heiligen Jakobus im südlichen Querschiff.

Wikipedia schreibt ergänzend (Stand März 2023): In der Kathedrale versammelten sich im Mittelalter die Pilger auf dem sogenannten Voie de Soulac, einem der französischen Abschnitte des Jakobswege nach Santiago de Compostela. Eine Statue des Heiligen Jakobus in Pilgerkleidern steht im südlichen Querschiff. Die Kirche ist deshalb seit 1998 als Teil des Weltkulturerbe der UNESCO „Jakobsweg in Frankreich“ ausgezeichnet.
Was ist uns da bloß entgangen? Gleich zu Beginn des Camino. Und es ging ja weiter. Auch in St. Jean hielt es uns – leider – nicht lange. Erst später in 2014 und 2018 holten wir, was St. Jean anging, alles nach.

Saint Jean, 13:16h. Alle streben zum Pilgerbüro. Es ist überfüllt. Zig Rucksäcke liegen vor der Tür, an der Mauer. Es dauert, die Ausweise sind endlich abgestempelt, wichtige Erstinformationen eingeholt. Was sollen wir uns noch mit der Geschichte des baskischen Ortes beschäftigen, warum die Zitadelle (12. Jh.) anschauen?
Wir wollen endlich starten. Ein letzter freundschaftlicher Talk mit Florian — sicheren Gefühls, dass wir ihn bald wieder sehen werden, obwohl er erst morgen starten will. Wir werden sehen. Der Mensch ist ein Herdentier, prompt schließen wir uns kenntnisreich aussehenden Mitpilgern an, prompt geht es in die Hose. Das falsche Tor, der falsche Weg, mindestens zwei Kilometer umsonst gelaufen.
Die Hitze hat zugenommen, sind jetzt auf dem richtigen Weg. Elke ist einverstanden, nicht den alten Pilgerweg zu nehmen, heute eine moderne Autostraße, sie wird von den Fahrradfahrern bevorzugt, sondern die Route Napoleon. Lächerliche fünf bis sechs Kilometer sind es bis Huntto, bis zur Herberge, die es aber in sich haben, weil sehr steil. „Wie soll das bloß weitergehen? Der 1430 Meter hohe Cisa-Pass kommt ja noch,“ so ahnt Elke völlig zu recht. Saint Jean liegt auf 180 Meter.
Pilgerführer Liber Sancti Jacobi, 12. Jh., Kapitel 1
Vier Wege führen nach Santiago, die sich zu einem einzigen in Puente la Reina vereinen; einer geht über (…) den Somportpass, ein anderer über Notre-Dame in Le Puy (…), ein letzter über St-Martin in Tours (…) und die Stadt Bordeaux (…), und nach dem Überschreiten des Cisapasses treffen sie in Puente la Reina auf (…)









Drei Uhr nachmittags vor der Herberge, nur wenige Wolken am Himmel lenken ab von einem phantastischen Blick ins Tal, bei strahlendem Sonnenschein. Schnell entwickelt sich mit zwei Deutschen ein Gespräch, es sind Brüder aus Würzburg. Wir werden sie die nächsten Tage nicht aus den Augen verlieren.
Das abendliche Pilgermenü schmeckt, es herrscht eine gute Stimmung, erzählen einander die ersten Geschichten, wundersame Geschichten.
Ein Ehepaar aus Sachsen will es in zwei Wochen bis Santiago schaffen: zu Fuß, mit der Bahn oder dem Bus; andere die Gesamtstrecke in Teilabschnitten gehen. Jeder nach seinem Gusto. Ich übernehme die Wäsche, lege die Socken auf die Mauer zum Trocknen, die Sonne scheint noch. Eine Holländerin, sie spricht gut Deutsch, animiert Elke zum Chigong, schließe mich mehr oder weniger lustvoll der Gruppe an. Es ist dunkel geworden. Sie macht vor, wir machen nach, geschlagene zwanzig Minuten. Kann ja nicht schaden. In der Tat, die Übungen haben gut getan, alle fallen müde ins Bett, es ist eng im Schlafsaal. Schnell ziehe ich den Vorhang zu. Ich schlafe wider Erwarten gut – im Schlafsack.
Wer das elent bawen wel, 13. Jh., 5. Strophe
So ziehen wir durch Schweizerlant ein, sie haißen uns got welkuum sein, und geben uns ire speise, sie legen uns wol und decken uns warm, die straßen tount sie uns weisen.6. Strophe.So ziehen wir durch die welschen lant, die seint uns bruedern unbekannt, das elent mueßen wir bawen, wir rufen got und sant Jacob an und unser lieben frawen.






Quellen / Verweise
Mittelalterliche Zeugen / Autoren
Arnold von Harff. Das Pilgerbuch des Ritters Arnold von Harff (1496‐1498). Helmut Brall‐Tuchel und Folker Reichert. Böhlau Verlag Köln Weimar Wien; 3. Auflage 2009.
Domenico Laffi. Aus: Der Jakobsweg. Ein Reiseführer für Pilger. Millan Bravo Lozano, 1998. Turespana.
Domenico Laffi. A Journey to the West; 1670‐73. Translated by James Hall. Xunta de Galica, 1997.
Liber Sancti Jacobi/Codex Calixtinus. Aus: Der Jakobsweg. Ein Pilgerführer aus dem 12. Jh.. Klaus Herbers. Reclam, 2008.
Hermann Künig von Vach. Aus: Die Strass zu Sankt Jakob (1495). Der älteste deutsche Pilgerführer nach Santiago.
Klaus Herbers und Robert Plötz. Jan Thorbecke Verlag, 2004.
Wer das elent bawen wel. Lied der Jakobspilger seit dem 13. Jh.. Aus: Website www.jakobus‐info.de.
Wander‐/Reiseführer / Hinweise
DuMon aktiv. Spanischer Jakobsweg. Dietrich Höllhuber. 4. Auflage 2006.
Outdoor. Spanien: Jakobsweg Camino Frances. Michael Kasper & Michael Moll. Conrad Stein Verlag. 10. Auflage.
Unser Reisebericht fasst die von uns beschriebenen Erlebnisse dreier Pilgerwanderungen der vergangenen Jahre zusammen. Sollten wir dabei die Rechte
genannter oder auch nicht genannter Autoren ungenügend gewürdigt und/oder berücksichtigt haben, erbitten wir schon jetzt Dispens.
Literatur
Julian Barrio Barrio. Erzbischof von Santiago. Pastoralbrief zum Heiligen Compostelanischen Jahr 2010. Deutsche Fassung: Bischöfliches Ordinariat der
Diözese Rottenburg‐Stuttgart.
Paulo Coelho. Auf dem Jakobsweg, 1986/87. Diogenes. Shirley MacLaine. Der Jakobsweg, 1994/2000. Goldmann.
Menschen auf diesem Weg. Gebet aus: Pray – Das Jugendgebetbuch. Veröffentlicht zum XX. Weltjugendtag Köln 2005.
Gebetstext Heil`ger Jakobus. Aus: www.jakobus‐weg.de. Text von Wolfgang Schneller, 1987.
Dietrich Höllhuber, Werner Schäfke. Der Spanische Jakobsweg. Dumont Kunst Reiseführer, 6. aktualisierte Auflage.
Jakobusfreunde Paderborn. www.jakobusfreunde‐paderborn.eu.
Norbert Ohler. Pilgerstab und Jakobsmuschel. Patmos. 2. Auflage 2003.
Pilgerurkunde. Deutsche Übersetzung der Compostela: www.santiago‐online.com.
Gebetstext Segnung der Pilger. Stiftskirche Roncesvalles. Aus: www.jakobus‐info.de.